Projekt „Abenteuer“ – Aller Anfang ist schwer?

Nein, man macht es sich manchmal einfach nur schwerer als es sein muss. Immerhin trifft man sich mit Freunden um ein Gesellschaftsspiel zu spielen, will Spaß haben und die Spieler wissen doch, dass ihre Charaktere ein Abenteuer erleben werden. Es ist unnötig das Offensichtliche zu verbergen, solange die Übergänge passend sind.

Die Charaktere werden in der Taverne von ihrem Auftraggeber angesprochen und das wirkt abgeschmackt? Warum? Die Taverne ist der zentrale Mittelpunkt der Gegend, in denen sich die Leute treffen um Spaß zu haben, Neuigkeiten zu erfahren und Arbeiten zu vergeben oder Arbeiter zu suchen. In der realen Gegenwart wurde die Bedeutung der Gaststätten und Wirtschaften immer weiter dem Boden gleich gemacht. Leute „trifft“ man über soziale Netzwerke, Neuigkeiten gibt es aktuell aus der Dose, Termine flattern einem per Newsletter ins Haus und für die Arbeitsvermittlung gibt es eine ganze Agentur. Manche Leute können sich da nur schwer Vorstellen, was eine Taverne für einen Stellenwert haben kann.

In einer modernen oder zukünftigen Spielwelt sollte es einen passenden Ersatz geben, der die Funktion einer Taverne erfüllt. Bei Star Wars ist es die Cantina, in Shadowrun ein Knoten in der Matrix, auf der Enterprise Zehn Vorne – im Grunde genommen sind es doch wieder nur „Tavernen“.

Die Charaktere sind Abenteurer – so oder so. Also kann es auch einen Anschlag am schwarzen Brett geben. Das ist sehr direkt und auch passend. Möchte es jemand subtiler, so kann ein Charakter mit dem Auftraggeber verwandt oder bekannt sein. Oder man lässt die Charaktere mittels einem kleinen Vorspiel Kontakt mit dem Auftraggeber herstellen, bevor man auf den Höhepunkt zusteuert. Das kann mittels einem Raubüberfall, einem Attentat oder einem Unfall geschehen, den die Charaktere zufällig miterleben.

Das klingt alles nach konstruierten Zufällen? Das sind es auch! Und die Spieler wissen es! Egal wie subtil ein Spielleiter, eine Erzählerin, ein Moderator oder eine Meisterin an die Sache herangeht. Da ist ein Regelwerk, da sind Charaktere, da läuft ein Spiel.

Anstatt besonders viel Wert auf scheinbare Subtilität bei der Auftragsvergabe zu legen, sollte der Anfang eine originelle Eigenart besitzen. Dadurch wird die Sache zu etwas Besonderem, erinnern sich Charaktere und Spieler später noch daran.

So könnte ein Minotaurus schnaubend in die Taverne stürmen, einen der Zwerge vom Hocker reißen und über die Theke schieben, bis der Zwerg am anderen Ende auf den Boden donnert. Der Zwerg rappelt sich auf und ruft: „Hundert Goldstücke für Denjenigen, der mit Ärger vom Hals hält!“

Spieler sollten ihre Charaktere nun ins Rennen schicken. Manche lassen sich gerne noch etwas bitten, also könnte der Minotaurus noch einen der Spielcharaktere beleidigen oder allgemein Drohungen in die Runde werfen. Eventuell ist der ein oder andere Charakter mit einem der beiden Kontrahenten sogar bekannt.

Du erinnerst Dich daran, dass der Zwerg dort vorne Grumli Eisensack heißt. Er ist ein guter Bekannter Deines Vetters Helgor …

Die Krakentätowierung über dem Auge des Minotaurus kommt Dir bekannt von, dann fällt es Dir wie Schuppen von den Augen. Es handelt sich um das Erkennungszeichen der Krakenbande. Einer von denen schlitzte Deinem alten Kampfgefährten Knuut vor einem Jahr den Hals auf …

Sollte das ebenfalls keine Wirkung zeigen, dann weg mit dem Regelwerk und eine Partie „Monopoly“ gespielt. Spielleiter sind keinesfalls da ihren Spielern alles in mundgerechte Happen zu schneiden und sie dann noch damit zu füttern. Rollenspiele werden miteinander gespielt – also keinesfalls gegeneinander oder füreinander. Eine gute Gruppe hält es wie die Musketiere: „Einer für Alle – Alle für Einen!“ Falls das unmöglich scheint ist es Zeit für ein offenes Gespräch.

Jetzt ist es aber an der Zeit die Theorie in die Praxis umzusetzen und die erste Szene für „Die letzte Grenze“ zu entwerfen: Den Anfang.

Airas del Cambista gehört also zum einflussreichen Geldadel der Stadt. Ein Mann in seiner Position macht sich selbst die Füße nicht dreckig – er hat dafür seine Leute. Außerdem geht es um seine geliebte Tochter Blanca. Dementsprechend will er sicher sein, dass die angeheuerten Leute ihr Handwerk verstehen und vertrauenswürdig sind.

Nun wären zwei Möglichkeiten denkbar. Zum Einen könnten die Charaktere mit der Familie del Cambista bekannt oder verwandt sein. Vielleicht ist Blanca gar eine entfernte Cousine, was natürlich das Verhältnis zu ihr und Onkel Airas entsprechend beeinflusst. Einem Familienmitglied schenkt man natürlich mehr vertrauen, vor allem in solchen Kreisen und Zeiten – Blut ist dicker als Wasser.

Falls kein Verwandter oder Bekannter der Familie anwesend ist, muss das Vertrauensverhältnis anderweitig hergestellt werden. Gehen wir zum Anderen also davon aus, dass del Cambista seine Hofmeisterin Carmen dela Torpeza damit beauftragt hat, vertrauenswürdige Leute aufzutreiben. Ich habe mich nun ganz bewusst für eine Frau als SLC (NSC etc.) entschieden, da in einer Fantasywelt die Geschlechter vielleicht gleichberechtigt sind, die Klischees aber in realen Köpfer existieren. Die Gruppe wird einer Frau eher zur Hilfe eilen, als einem Mann. Und das Vorspiel braucht helfende Charaktere.

Carmen hat eine wichtige Position im Hause del Cambista inne. Airas vertraut ihr also. Da er Witwer ist, habe ich also eine geheime Liebschaft im Hinterkopf. Deswegen auch der Namen Carmen, dass passt wegen dem „C“ gut zu Cambista. Solche Details sind beim Schreiben eines Abenteuers meist sehr witzig, gehen später aber unter. Das ist kein Problem, denn das Schreiben soll ja auch Spaß machen und Spieler müssen nie alle Hintergründe kennen. So spart man sich etwas fürs Making-of auf …

Carmen dela Torpeza wird also damit beauftragt auf den Docks Aguas (da es eine Hafenstadt ist bevorzuge ich diese Floskel, anstatt „in den Mauern“ zu schreiben – da prägt dann auch unbewusst den Stil am Tisch) nach vertrauenswürdigen Leuten zu suchen, die im Auftrag des Patriziers Airas del Cambista dessen Tochter Blanca sicher nach Destino zu begleiten.

Sollten die SC (Spielercharaktere) Carmen oder Airas persönlich bekannt sein, so werden sie sofort angesprochen. Ansonsten werden die SC Zeugen eines Unfalls, bei dem sie ihren Wert beweisen können.

Die eigentliche Auftragsvergabe erfolgt durch Airas del Cambista persönlich im Domizil der Familie. Das es sich um Geldadel handelt ist es ganz witzig, wenn die del Cambistas in einer alten Münze leben – damit ist natürlich eine ehemalige Münzprägeanstalt gemeint. Darunter stelle ich mir einen wuchtigen, viereckigen Bau vor, der auch ein wenig an die Gebäude in Hamburgs Speicherstadt erinnert. Da Aguas eine Hafenstadt ist, liegt eine Seite des Gebäudes auch zum Wasser hin und kann mit einem Boot erreicht werden. Die Fenster sind vergittert, es gibt nur zwei offizielle Zugänge und dort befinden sich Wachen. Das Gebäude besitzt natürlich Wasserspeier und auch Fahnenstangen, an denen die Fahnen des Landes, der Stadt und der Familie hängen. Airas del Cambista ist stolz auf seine Abstammung und das zeigt er auch.

Die SC treffen also im Hause ein, werden zum Herrn des Hauses geführt und von ihm kritisch betrachtet. Airas del Cambista erklärt dann genau was der Auftrag ist und kommt zum Geschäftlichen. Und da ist schon wieder etwas Fingerspitzengefühl gefordert. Immerhin möchte man den SC nicht zu viel, aber auch keinesfalls zu wenig Belohnung zugestehen. Werden SC zu reich haben sie irgendwann keinen Grund mehr für Materielles auf Abenteuer auszuziehen, gibt es eine zu geringe Belohnung fühlen sich Spieler schnell gegängelt, da ihre lieben Charaktere förmlich am Hungertuch nagen.

Bei der Belohnung sollte also eine Summe herauskommen, die das Risiko belohnt, auf längere Sicht das Auskommen sichert, aufgebrauchte Ausrüstung ersetzen kann und schnell genug aufgebraucht ist, damit es bald wieder einen Grund für neue Abenteuer gibt. Das setzt natürlich voraus, dass die SC überhaupt Geld, Gold und Gegenstände brauchen. Ansonsten machen Sie es vielleicht der Ehre oder der Bekanntschaft wegen umsonst. Kreativität ist erlaubt und erwünscht, prägt den ganz eigenen Spielstil.

Airas del Cambista bietet also eine entsprechende Summe an, einen Teil wird es im voraus geben. Immerhin sollen die SC sich vorher noch etwas leisten können und brauchen vielleicht die ein oder andere Ausrüstung. Da Blanca mit dem Pferd unterwegs sein soll, bekommen die SC ebenfalls Reittiere – falls sie keine eigenen haben. Außerdem schicke ich noch eine ältliche Hausdame mit, die ebenfalls auf Blanca achten soll. Das wirkt schick, edel und vielleicht wird die Dame später noch an Bedeutung gewinnen.

Sobald die Formalitäten erledigt sind haben die SC noch einen Tag Zeit, um sich vorzubereiten. Vielleicht wollen sie Karten kaufen, die Ausrüstung ausbessern oder ein letztes Mal einen Tango tanzen. Spieler haben da oft ganz eigene Ideen.

So weit und so gut bis zu dieser Stelle. Und bitte nicht vergessen: Viele Wege führen nach Rom und es gibt viele Möglichkeiten ein Abenteuer zu schreiben …

2 Kommentare

  • Sehr schöner Artikel. Legt das Thema gut dar, finde ich. Sind auch einige interessante Anstöße/Sichtweisen drin.

  • Ich denke mal es geht auch nur um Denkanstöße und Sichtweisen. Ich selbst gehe je nach System, Kampagne und Laune anders an ein Abenteuer heran, da kann ich auch nur einen kleinen Ausblick auf ein oder zwei Varianten geben. Die eierlegende Wollmilchsau dürfte es auch beim Abenteuer schreiben nicht geben. 🙂

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