Atlantis – Staffel 1
Holla. Was uns die BBC mit “Atlantis” auf den Bildschirm zaubert, ist schon ein historisch unkorrektes Spektakel, das seinesgleichen sucht. Was mögen die wohl geraucht haben, wird sich der ein oder andere vielleicht denken. Kein Wunder, denn was sich die Ideengeber Johnny Capps, Julian Murphy und Howard Overman haben einfallen lassen, das ist schon eine ziemlich irre Sache.
Im Vorfeld ist es vielleicht gut zu wissen, dass “Atlantis” wohl als Nachfolger zur Serie “Merlin” gedacht war, das aber leider nicht so richtig funktionierte. Passende und funktionierende Nachfolger zu schaffen, ist halt keine ganz leichte Aufgabe. Seine Mission hat “Atlantis” somit sicherlich nicht erfüllt, aber es ist eine ziemlich erquickliche Familienunterhaltung geworden.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Jason (Jack Donnelly), der aus unserer Zeit regelrecht in das antike und mystische Atlantis gespült wird. Erst einmal ziemlich überfordert, lernt er schon bald den klugen und hilfsbereiten Pythagoras (Robert Emms) kennen. Das ist auch gut so, denn in Atlantis läuft nicht alles rund und es ist ein gefährliches Pflaster. Das lustige Heldentrio wird durch Hercules (Mark Addy) komplettiert, einem rauen, aber herzigem Gesellen. Gemeinsam bestehen die Kerle in jeder Folge ein neues Abenteuer, versuchen hinter das Geheimnis von Jasons Herkunft zu gelangen, erliegen hin und wieder der Liebe, agieren gegen das amtierende Königshaus und werden mit Intrigen und mystischen Kreaturen konfrontiert.
Es ist ein bunter Mix, der sich vor allem aus griechischen Sagen und Legenden speist. Diese werden allerdings absolut frei interpretiert und in der Serie nach Lust und Laune verarbeitet. Hin und wieder trifft es den tatsächlichen Kern der Mythologie, aber wirklich wichtig ist das alles nicht. Im Vordergrund stehen halt Abenteuer und Spaß. Und von beidem ist mehr als genug vorhanden.
Seinen stärksten Reiz zieht “Atlantis” aus der schnell entstehenden Männerfreundschaft, die schon bald in einer abenteuerlichen Wohngemeinschaft mündet. Jason (hier ist natürlich der Anführer der Argonauten gemeint), Hercules und Pythagoras sind zwar ziemlich einseitige Figuren, aber gleichzeitig auch herzallerliebst.
Jason ist der typische Abenteurer, während Pythagoras zwar etwas ungeschickt, aber dafür unglaublich klug ist. Hercules ist dagegen außerordentlich trinkfest und eigentlich ein Feigling, aber mit dem Herzen am rechten Fleck und ein wahrer Herzensbrecher. Die Chemie zwischen den Figuren stimmt einfach und beinahe lausbubenhaft geraten sie von einem Abenteuer ins nächste. Dabei gibt es tatsächlich einen roten Faden, der gelegentlich zu sehen ist, und sich bis ins Staffelfinale durchzieht. Sehr schön ist vor allem, dass Figuren immer wieder einmal auftauchen und vorangegangene Handlungen aufgenommen werden.
Allerdings sollte klar sein, dass “Atlantis” absolut seichte Unterhaltung ist – und zwar von der mythologischen Vorlage ganz abgesehen. Die Computertricks sind als solche oft zu erkennen und wirken manchmal doch recht billig, aber von einer ganz amüsanten Seite. Die Drehbücher sind als durchwachsen zu bezeichnen und die Lokalitäten sind stets dort, wo sie gebraucht werden – und zwar alle und alles. So gibt es in der Nachbarschaft des sagenumwobenen Atlantis’ Wald, Wiese, Hügel, Berge, Wüste, Meer, Höhlen und noch vieles mehr. Manches tagelang entfernt, aber dramaturgisch stets in wenigen Stunden oder Minuten zu erreichen. Die Macher haben einfach sämtliche Gedanken aus Plausibilität ausgeklammert.
Diese ist im Grunde auch gar nicht nötig. denn die Serie will einfach nur unterhalten und Spaß machen. Und das gelingt ihr ganz gut. Abenteuer, Humor, ein Schuss Liebe und etwas Dramatik, das ist ziemlich kurzweilig. “Atlantis” ist eine Serie zum Entspannen und Ausspannen, die auch für etwas ältere Kinder taugt. Immerhin geht es recht unblutig und züchtig zu, auch wenn die Themen eigentlich nicht unbedingt darauf schließen lassen.
Ein größeres Problem dürfte sein, dass Frauen als Heldenfiguren praktisch nicht stattfinden. Entweder sind sie in Not geraten und müssen gerettet werden oder sie agieren eher ruhig von der Küche aus oder als liebevoll lenkende Angebetete, die ihrem Geliebten klug den rechten Weg weist. Auf Seiten der Antagonisten gibt es dagegen starke Frauen, aber diese sind halt immer böse. Das fehlen zumindest einer starken Frauenfigur ist einfach Schade..
Die deutsche Synchro der Staffel kommt geerdet daher und ist vollkommen in Ordnung. Wer des Englischen allerdings mächtig ist, sollte sich unbedingt die Originaltonspur anhören. Natürlich, Stimmen im Original sind immer zu bevorzugen, aber hier geht es vor allem um die Aussprache der Namen. Die Darsteller geben sich nämlich absolute keine Mühe etwas richtig auszusprechen und englischen einfach alles gnadenlos ein. Für deutsche Ohren klingt das oft mehr als ungewöhnlich und manchmal dauert es etwas bis der Groschen fällt und man erkennt, von wem Bekanntes da eigentlich gerade gesprochen wird. Namen und Begriffe wie Hercules, Pythagoras, Hades et cetera sind einfach göttlich.
“Atlantis” ist zwar kein großer Schlag, aber allemal sehr unterhaltsam. Allerdings nur für Leute die darüber stehen, dass so lax mit dem Thema Sagen und Legenden umgegangen wird. Wer etwas mehr Wert auf eine Orientierung an den Originalvorlagen legt, der sollte einfach mal ein oder zwei Folgen testweise schauen und dann entscheiden, ob das so in Ordnung ist. Unter dem Strich ist die Serie aber einfach ein unterhaltsamer Spaß.
“Atlantis” im Rollenspiel:
Die Serie ist ziemlich traditionell aufgebaut und neben der Aufgabe der Woche, gibt es einen Handlungsbogen, der die ganze Staffel leicht miteinander verbindet und eine persönliche Note einbringt. Das passt natürlich wunderbar, um sich daraus eine kleine Kampagne zu basteln. Auf der einen Seite gibt es ein klassisches Abenteuer, auf der anderen Seite gelegentlich Informationshäppchen, die das Leben eines der Charaktere oder das Schicksal der ganzen Gruppe betreffen.
Vom Setting her rücken erst einmal die klassischen Fantasysysteme in den Mittelpunkt, dabei allerdings mit Fokus auf griechische Mythologie. Das kann natürlich angepasst werden, ist an sich aber eine sichere Hausnummer. Die Serie kommt mit Action daher, also kann auch diese problemlos eingebunden werden. “Atlantis” eignet sich dahingehend hervorragend zum Ausschlachten.
Mit ein wenig Arbeit kann der Serieninhalt auch auf andere moderne Systeme und Settings angepasst werden. Wie erwähnt, die Serie ist sehr traditionell aufgebaut und die meisten Elemente, mit etwas Denkarbeit, leicht auszutauschen. Bei einem frei gehaltenem System bietet sich “Atlantis” aber auch als Kampagnenhintergrund an, so dass der Serie viel enger gefolgt werden kann. Immerhin bietet die Stadt alles, was eine kleine Kampagne braucht. Stadt, Zugang zum Meer, Wälder, Berge, Wüste und etliche Höhlensysteme. Eine Gruppe die hier strandet und das Geheimnis von Atlantis lüften muss, hat durchaus ihren Reiz.
Ansonsten kann auch direkt auf ein passendes System zurückgegriffen werden. Wer es klassisch mag schaut sich “Mazes & Minotaurs” an. Moderner ist dagegen “Agon”. Sehr passend ist natürlich “Atlantis: The Second Age”.
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Atlantis – Staffel 1
Produktionsland: Vereinigtes Königreich
Produktionsunternehmen: Urban Myth Films
Produktion: Johnny Capps, Julian Murphy, Howard Overman, Bethan Jones
Idee: Johnny Capps, Julian Murphy, Howard Overman
Darsteller: Jack Donnelly (Jason), Mark Addy (Hercules), Robert Emms (Pythagoras), Jemima Rooper (Medusa), Aiysha Hart (Ariadne)
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Studio: Polyband/WVG
Erscheinungstermin: März 2015
Produktionsjahr: 2013
Details zur Blu-ray.Box:
Sprache: Deutsch (DTS-HD 2.0), Deutsch (DTS-HD 5.1), Englisch (DTS-HD 2.0), Englisch (DTS-HD 5.1)
Untertitel: Englisch, Niederländisch, Deutsch
Region: Alle Regionen
Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
Anzahl Disks: 3
Spieldauer: 585 Minuten