Dungeons & Dragons – Le roi est mort, vive le roi
„Le roi est mort, vive le roi!“ – „Der König ist tot, es lebe der König!“ Das trifft erneut gut auf den Wechsel zur nächsten Edition von Dungeons & Dragons zu. Insgesamt ist es nun die fünfte Edition. Und erneut wird es in den Regeln einen harten Bruch geben. Als das beim Wechsel von drei auf vier geschah (und dabei auch die vielen Settings des Rollenspiels umgekrempelt, will sagen, verändert wurden), haben sich viele Spieler vom König der Rollenspiele abgewandt und anderen Herren die Treue geschworen. Allen voran Pathfinder, das auch gerne als Dungeons & Dragons 3.75 angesehen wird. Und obwohl Paizo mit Pathfinder und Golarion eine hervorragende Arbeit leistet, für viele Spieler ist es nur eine Krücke um D&D spielen zu können, ohne die elendige 4E bedienen zu müssen. Die vierte Edition hat zwar ihre Fans, stampfte aber auch gleichzeitig die Beliebtheit des Spiels ein.
Doch nun ist die vierte Edition Geschichte und die fünfte Edition die Zukunft. Wizards of the Coast geht bei dem Übergang sehr vorsichtig vor, im Gegensatz zur Holzhammermethode beim letzten Wechsel. Diesmal soll alles richtig laufen, will man die Fans hofieren, neue Spieler rekrutieren und verlorene Spieler zurückgewinnen. Zu guter Letzt geht es auch um Marktanteile und Gewinne.
Bisher sieht die Strategie der Küstenzauberer sehr erfolgreich aus. Die letzten Jahre wurde viel Zeit und Arbeit in die Entwicklung des Spiels gesteckt. Es gab einen umfassenden Playtest, mit über 175.000 Teilnehmern. Als Lead-Designer zeichnen Mike Mearls und Jeremy Crawford verantwortlich, geschrieben wurden die Regeln von James Wyatt, Robert J. Schwalb und Bruce R. Cordell. Bekannte Namen im Bereich Dungeons & Dragons. Aber auch Jeff Grubb, Kenneth Hite, Kevin Kulp, Robin Laws, S. John Ross, the RPGUNit, Vincent Venturella und Zak S. gehören zu den Leuten, die das neue Dungeons & Dragons mitgestaltet haben. Vor allem Kenneth Hite und Robin Laws stechen dabei als bekannte Namen heraus.
Vor dem Erscheinen des Dungeons & Dragons Starter Set (voraussichtlich am 15- Juli 2014) haben die Wizards bereits die Basic Rules 0.1 online gestellt und bieten den Fans die Möglichkeit, einen kleinen Blick auf die Regeln zu werfen. Informierte und kreative Spielleitungen können mit dem Dokument problemlos erste Spielsitzung leiten. Probeweise Charaktere anzufertigen ist ebenfalls kein Problem. Als alter Dungeons-&-Dragons-Fan (den die 3.0 und 3.5 langsam ermüdeten und die 4E vergraulte) war es für mich keine Frage, so schnell wie möglich an einem Testspiel teilzunehmen. Der gute +Markus Wagner bot sich als Spielleiter an, allerdings mit terminlicher Wackeloption. Ich ging einfach davon aus, dass es schon klappen wird und sagte andere Termine für den geplanten Spielabend ab.
Tags zuvor (nach dem grandiosen Sieg der Deutschen über Frankreich und dem anschließenden Hackfest Brasilien gegen Kolumbien) suchte ich noch spät den Online Stammtisch von Rollenspieler (deutschsprachig) auf und auch Markus war anwesend. Die ideale Gelegenheit in Anwesenheit meines D&D-Spielleiters in spe einen Charakter zu erschaffen. Die Basic Rules lagen mir bereits vor, aber mehr als es überfliegen und mit +Frank Falkenberg einige Eckpunkte genau unter die Lupe zu nehmen, war bisher nicht möglich gewesen. Vor allem in Bezug auf die Charaktererschaffung war ich ziemlich ahnungslos. Aber D&D ist D&D – ich war deswegen zuversichtlich.
Die Charaktererschaffung konnte ich locker neben dem Hangoutstammtisch vornehmen. Um es mir einfach zu machen sollte es ein menschlicher Kämpfer werden. Und um die Erschaffungsregeln besser zu verinnerlichen und den Aufwand einzuschätzen, habe ich anstatt dem ausfüllbaren PDF-Charakterbogen im Drive ein Textdokument geöffnet und dort einfach alles notiert. Ich war ziemlich überrascht, wie überschaubar die neuen Charakterdaten sind. Alles passte bei einer angenehmen Schriftgröße von 11px auf eine Seite. Nach der Sitzung habe ich die Daten dann in einer der Charakterbögen übertragen, die es im Netz zu finden gibt.
Allgemein ist sind die Basic Rules gut, genau und trotzdem locker geschrieben. Es macht Spaß in dem Dokument zu lesen. Positiv ist mir dabei das Settingdropping (bekannte Setting, die namentlich erwähnt wurden) aufgefallen. Da kamen sofort liebevolle Erinnerungen auf und die Hoffnung, das die Wizards diese Settings vielleicht allesamt reaktivieren mögen. Bei den Beispielcharakteren kamen Namen wir Bruenor, Tika und Artemis auf. Für Fans sind das ebenfalls bekannte Namen aus den Forgotten Realms und Dragonlance.
Bei der Charaktererschaffung nehmen die Basic Rules einen bei der Hand. Schritt für Schritt geht es zügig voran. Nur Klassen mit Magie dauern etwas länger, denn einen kleinen Überblick über die Zauber sollte man schon haben. Alle anderen Klassen sind schnell abgehandelt. Und das macht auch noch Spaß. Soll es besonders schnell und einfach gehen, werden einfach die vorgegebenen Optionen genommen. Soll es etwas detaillierter sein, dann kauft man sich seine Attribute und Ausrüstung zusammen. Markus gab uns ein Attributset zum Verteilen vor und die Ausrüstung wurde aus den Optionen zusammengestellt. Dem Fighter noch einen Style verpasst und kurz über den Charakter geschaut. Wahnsinn, der sah einfach nur cool aus! Und die neuen Regeln waren ziemlich simpel. Im Grunde wird bei allem nur noch auf die Attribute gewürfelt. Im Gegensatz zu den letzten beiden Editionen sind diese nach oben hin gedeckelt. Es wird also wohl keine exorbitanten Werte mehr geben, sondern alles bleibt überschaubar und leicht auszurechnen. Eine Wohltat.
Allgemein muss weniger gerechnet werden. Angriffsboni, Fertigkeitenboni, Rettungswurfboni etc. fallen alle weg. Ist der Charakter irgendwo Proficiency, erhält er immer seinen Proficiency Bonus. Im Falle meines Charakters Tendrak Talis sind das derzeit +2. Und obwohl die Möglichkeiten des Fighters überschaubar scheinen, bekommt er durch die unterschiedlichen Styles immer eine andere Färbung. Das wird noch weiter ausgebaut, denn Dungeons & Dragons setzt jetzt auf Backgrounds. In den Basic Rules sind Acolyte, Criminal, Folk Hero, Sage und Soldier enthalten. Das ist ein ziemlich simpler Mechanismus, um mit wenig Optionen eine große Vielfalt an Charakteren zu erhalten. Diese Backgrounds stehen allen Klassen zur Verfügung. Ich wählte für meinen Fighter ganz klassisch Soldier aus. Gleiches machte auch unser Cleric Maedric (gespielt von Frank), ein Waffenbruder Tendraks. Dadurch ergibt sich sofort eine ganz andere Art von Kleriker. Das hat mir sehr gut gefallen.
Bei den Backgrounds sind zudem noch Personality Trait, Ideal, Bond und Flaw aufgeführt. Diese definieren die Persönlichkeit des Charakters und sorgen dafür, dass sie durch Ausspielen zu Inspiration führen. Bis auf Ideal habe ich die anderen zufällig ausgewürfelt, da ich im Vorfeld Tendraks Alignment (Gesinnung) auf Chaotic Good (Chaotisch Gut) festlegte.
Im Grunde genommen ging es dann nur noch darum, die Werte für die Ausrüstung festzulegen. Der Angriffswert einer Nahkampfwaffe ergibt sich aus Stärkebonus und eventuell Proficiency. Mit dem Langschwert kam Tendrak also auf +5. Na ja, er steht ja noch am Anfang seiner Karriere. Der Stärkebonus (Strength Bonus) wird dabei auf den Schaden angerechnet. Bei Fernkampfwaffen kommt übrigens der Dexterity Bonus (Geschicklichkeitsbonus) auf den Schaden der Waffe. Sehr nett, das wertet Fernkampfwaffen auf.
Bei der Berechnung der Armor Class (Rüstungsklasse) fiel mir dann auf, dass schwere Rüstungen eine fixe AC haben, im Gegensatz zu den leichten Rüstungen. In Tendraks Fall also eine 16, da er eine Chain mail bekam. Dazu ein Shield (+2) und als Style Defense (+1), betrug die AC am Anfang des Abenteuers satte 19. Für einen Anfangscharakter ist das schon ordentlich. Allerdings hatte die Chain mail bei Stealth einen Disadvantage, also einen Nachteil. Das ist wortwörtlich gemeint, denn Advantage (Vorteil) und Disadvantage sind ein Regelmechanismus. Im Grunde bedeutet es, dass der Spieler zwei W20 anstatt einem würfelt. Bei Advantage nimmt er den höheren, bei Disadvantage den niedrigeren Würfelwert. Das macht Schleichen in Kettenrüstung also schon schwerer und ist viel eleganter gelöst, als es früher der Fall war.
Die Charaktererschaffung konnte ich jedenfalls locker nebenbei machen und war, trotz leicht ablenkenden Gesprächen, ziemlich flott fertig. Es dürfte maximal eine halbe Stunde ohne Geplänkel dauern. Wer sich auskennt, der wird noch schneller fertig sein. Das ist eine sehr tolle Sache. Bereits bei der Charaktererschaffung war gut zu erkennen, dass sich die Designer in den letzten Jahren auf den Hosenboden setzten und ihre Hausaufgaben machten. Dabei haben sie aber nicht in der eigenen Küche nach passenden Rezepten gesucht, sondern auch über den Tellerand hinausgeblickt und das Feedback der Fans ernst genommen. Die typischen Elemente von D&D wurden beibehalten, wenn auch hier und da umgekrempelt und man kann endlich wieder Zauber memorieren. Aber ansonsten finden sich auch gute Elemente aus der 4E wieder, sowie viele Einflüsse moderner Systeme und aus der Indieszene. Und alles wurde ziemlich rund zusammengeführt. Das kristallisierte sich vor allem im Testspiel heraus.
Neben Tendrak und Maedric waren noch Brim und Haddun mit von der Partie. Brim wurde von +David Reichgeld gespielt und ist ein Halfling Fighter. Obwohl damit zwei Fighter in der Runde waren, hatten beide ihre eigene Identität und kein Fighter ähnelte dem anderen. Und das, obwohl es an sich wenig Schalter gibt. Aber die Schalter die es gibt, die machen ihre Arbeit ziemlich gut. Abgerundet wurde die Sache von Haddun, unserem Rogue aus den Südlanden, der im Spiel ein paar supercoole Aktionen zeigte und für den Lacher des Abends sorgte. Haddun wurde übrigens von +Jürgen Mayer gespielt.
Ihr seid von Sorrensen, einem Händler aus Trostburg angeheuert worden, seine Karawane auf der Reise durch den Wald Skogurhörmullegur nach Svarturvigi, der schwarzen Feste des Zwergenkönigs Rafnar, zu schützen. Die Reise wird etwa acht Tage dauern und ihr erhaltet 16 Goldstücke als Lohn für Eure Dienste. Neben Euch sind mit von der Party weitere Kaufleute, einige bewaffnete Knechte, die Zwergenmadame Roshildur und ihre Mädchen, der Händler Sorrensen und seine hübsche Tochter Ingdis. Die ersten beiden Tage im düsteren Skogurhörmullegur sind ohne Zwischenfälle verlaufen. Allerdings fühlt Ihr Euch seid einiger Zeit beobachtet…
Quelle: Markus Wagner
Einen detaillierten Spielbericht spare ich mir an dieser Stelle, denn ich habe die Testspielsitzung via meinem Twitteraccount getweetet und mit dem Hashtag #TendrakTalis versehen. Leider habe ich mich einmal vertippt und es gibt keine Korrekturfunktion für Tweets. Jedenfalls habe ich keine gefunden. Dadurch fällt ein Tweet leider durch das Raster.
Von der Spielwelt aus Markus‘ Gedankenschmiede haben wir leider nur wenig gesehen. Aber das was wir vorgeführt bekamen, hat mir gefallen. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich die Welt entwickelt und mit meinem Tendrak Talis einem weiteren Abenteuer gegenüber nicht abgeneigt. Für die Spielsitzung bekamen wir eine bunte Hexkarte zur Verfügung gestellt, auf der sich einige spannende Örtlichkeiten befinden. Und sicherlich gibt es auf den vielen unbeschrifteten Feldern weitere Geheimnisse, die gelüftet werden wollen. Für meinen Charakter habe ich, auf der Hexkarte basierend, eine eigene Karte angefertigt und dort weitere Lücken gelassen. So fehlt unter anderem der Fluss und es sind auch keine Grenzen eingezeichnet. Hier lege ich einfach Wert auf das Spielerlebnis und lasse für Tendrak weitere Überraschungen zu.
Die Spielsitzung hat großen Spaß gemacht. Die Begegnungen waren zwar knackig, aber fair. Leider gibt es noch keine offiziellen Monsterwerte und Markus musste etwas recherchieren und improvisieren. Das ist ihm aber hervorragend gelungen. Es war gut zu erkennen, das Dungeons & Dragons sich vom bodenplanlastigen Spiel verabschiedet hat. Zwar gibt es noch Dinge wie Opportunity Attack, aber die funktioniert schon anders als die alte Attack of Opportunity. Man kann natürlich noch immer Bodenpläne einsetzen, aber das ist nicht zwingend nötig. Trotzdem ist, vor allem bei komplexen Situationen, zumindest eine Skizze ganz hilfreich, um wenigstens die Relationen der Positionen zueinander zu sehen.
Sehr gelungen fand ich – und wohl auch meine Mitspieler – die Inspiration. Entweder man hat sie oder man hat sie nicht. Inspiration kann eingesetzt werden, um für einen Wurf einen Advantage (Vorteil) zu bekommen. Zugleich funktioniert Inspiration auch wie Fanmail, man kann sie also an andere Charaktere weitergeben, die noch keine Inspiration haben. Inspiration bekommt der Charakter durch gutes Rollenspiel seines Spielers. Sei es, dass jemandem aus der Runde das Rollenspiel gefallen hat (dann kommt Inspiration vom Spielleiter, gelegentlich aber auch von Mitspielern) oder man Traits, Flaws, Ideals oder Bonds ausspielt. Da man Inspiration nicht horten kann, wird sie auch immer wieder aktiviert, um neue Inspiration erhalten zu können. Zudem stärkt es das Gruppenspiel, denn extrovertierte Spieler können sich Inspiration erarbeiten und dann an introvertierte Spieler weitergeben. So oder so ist es eine rollenspielerische Bereicherungen für die Gruppe.
Und das dürfte für einige Spieler tatsächlich das größte Problem darstellen. Derzeit positioniert sich Dungeons & Dragons wieder stärker als Rollenspiel und wendet sich vom Miniaturen- und Brettspiel ab. Vor allem die 4E fühlte sich nicht mehr als echtes Rollenspiel an, was aber einige Spieler wiederum mochten, dieses haptische Erlebnis, das sich auch gut mit Fotos dokumentieren lässt und Dank schönen Miniaturen und Bodenplänen das Auge anspricht. Das fällt jetzt in der Grundeinstellung weg. Und für meinen Teil ist das eine gute Entwicklung, denn ich habe immer mehr das starke erzählerische Element vermisst, dass ich bei Advanced Dungeons & Dragons 2nd Edition so genoss. Zumindest im Testspiel war dieses Gefühl zurück.
Derzeit macht Dungeons & Dragons für mich vieles richtig. Aber bisher stehen auch nur die Basic Rules 0.1 zur Verfügung und es bleibt abzuwarten, wie sich das Spiel mit den drei Core Rule Books entwickelt. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Regeln keine Änderungen mehr erfahren, aber ein wenig Skepsis ist sicherlich angeraten. Es ist aber schon abzusehen, dass sich alle Trittbrettfahrer (Pathfinder, 13th Age et cetera) warm anziehen müssen. Das Mutterschiff ist wieder zurück im Sonnensystem. Es dürfte spannend werden.
#TendrakTalis Ordentliche Belohnung und 532 XP. Yeah. Level up! Spiel macht Spaß, bisher gute Regeln. 🙂
— Taysal (@_Taysal_) 5. Juli 2014
Update: In einer ersten Fassung des Artikels waren weitaus mehr Tweets eingebunden. Leider hat sich WordPress nur schlecht damit vertragen und die Formatierung zerrissen. Deswegen wurden die Tweets von mir weitgehend wieder entfernt.
„Das Mutterschiff ist wieder zurück im Sonnensystem. Es dürfte spannend werden.“
Sehe ich genauso. Danke für den Ersteindruck, wir testen die Basic Rules auch mal die Tage.
I’m so excited! 😀
Allein die Charaktererschaffung hat mir, trotz noch unvollständiger Regeln, schon mächtig Spaß gemacht.
Ja, das war schon lustig. Ich bin gespannt, wie sich D&D von der Spielleitung her gibt und wie viel Zeit Kämpfe auf höheren Stufen einnehmen werden. Auf Spielsitzungen die nur aus einem Kampf bestehen, habe ich nämlich keine Lust. Bisher sieht die Sache aber recht überschaubar aus.
Liest sich sehr angenehm und als bekennender D&D Fan freut mich ein positiver Bereicht über Dnd Next und kein subjektives Niedermachen =)
Na ja, *alles* hat erst einmal eine Chance verdient. Sobald die ersten Bücher bei mir eintrudeln, werden die von mir ebenfalls unter die Lupe genommen. Da steht ja erst einmal die Starter Box an. An sich ist die zwar unnötig, aber’s gehört halt zur Sammlung dazu.