Hoard of the Dragon Queen: 2) Raider’s Camp
Das zweite Kapitel in Hoard of the Dragon Queen hinterlässt zwiespältige Gefühle. Auf der einen Seite präsentieren die Autoren Wolfgang Baur und Steve Winter einen kleinen Sandkasten, in dem die Gruppe recht frei agieren könnte – gäbe es nicht sehr genaue Zielsetzungen und Vorstellungen, wie dieser Abschnitt abzulaufen habe. Zudem gibt es einige handfeste Lücken, die einem beinahe die Nerven rauben.
Das beginnt bereits mit dem Einstieg. Die SC sind eh schon motiviert genug, um den Räubern nachzueilen. Da taucht der Mönch Nesim auf und erklärt, sein Meister sei den Räubern hinterher und so weiter und so fort. Offensichtlich soll hier etwas mehr Spannung und etwas mehr persönliche Verwicklung erzeugt werden. Das wirkt aber an den Haaren herbeigezogen und unnötig. Motivation ist bereits vorhanden und es ist besser jemanden befreien zu müssen der bereits im Lager gefangen ist, als jemanden (Nesims Meister Leosin) der noch unterwegs ist.
Das Problem ist nämlich, dass überaus motivierte SC den Räubern hinterhereilen und diese, wenn die SC schneller als die langsame Karawane sind, bereits auf dem Weg ins Versteck einholen. Die beiden Begegnungen die Ressourcen und somit Zeit schinden sollen, können hierbei leicht umgangen oder ausgeschaltet werden. SC mit dem Hintergrund Infiltrator, können sich bereits unter die Räuber mischen, wenn diese gerade Greenest verlassen. Und dann ist es auch kein Problem Leosin unterwegs zur Flucht zur verhelfen und die Karawane der kultistischen Räuber anderweitig zu sabotieren. Darauf wird nicht richtig eingegangen. Allgemein wäre es besser Leosin später ins Abenteuer einzuführen und ihn als Agent der Harfner und Gegner des Kultes, einfach die Abenteurer, die ja bereits Erfahrung mit dem Kult gesammelt haben, anwerben zu lassen.
Das Problem mit Leosin ist zusätzlich, dass er als für das Abenteuer wichtige Person aufgebaut wird, aber eigentlich ein Arsch ist. Er will sich nämlich gar nicht retten lassen, um so an mehr Informationen über den Kult zu kommen. Die SC müssen ihn also gegen seinen Willen aus dem Lager schleppen. Das kann so enden, dass die Spieler darauf allerdings keine Lust haben und den Mönch sich selbst überlassen. Dann aber befreit sich Leosin selbst. Sollten die SC gefangen sein, dann rettet er sie ebenfalls. Kotz! Ein Unsympath und Deus ex machina – nein, das ist Mist.
Wenn ein NSC derart wichtig ist, dass er überleben muss, dann bringt man ihn einfach nicht in Gefahr. Das sollten Autoren beherzigen. Bringt man einen wichtigen NSC dann doch in Gefahr, dass sollten weitere (supergeile) NSC bereitstehen, die den Wegfall dieses NSC kompensieren können. In diesem Falle: Stirbt Leosin Erlanthar, dann übernimmt Nesim Waladra die Aufgabe seines Meisters. Kein Weichspüler für Leosin. Und natürlich will der Mönch gerettet werden, denn zum Sammeln der Informationen hat er doch die SC. Diese kann er einfach bei seiner Rettung bitten, eben jene Hintergrundinfos in Erfahrung zu bringen – im Auftrag des Guten und auch finanziell soll es ihr Schaden nicht sein. Ist jemand über die Backgrounds mit Leosin verbunden, wird die Sache noch einfacher.
Kommen wir zur Reise ins Räuberlager. Scheinbar geht das Abenteuer davon aus, dass die SC eine lange Rast einlegen und die Kultisten somit einige Stunden Vorsprung bekommen. Allerdings, bei einer kurzen Rast oder wenn die SC sofort losziehen, haben sie die Räuber schnell eingeholt. Zumal diese eine breite Spur hinterlassen und ihrer Größe und der schweren Beute wegen langsam unterwegs sind. Wie bereits zuvor angesprochen, muss damit gerechnet werden.
Dann wäre noch der Punkt, dass das Versteck der Kultisten gerade einmal zwölf Meilen südlich von Greenest liegt. Das sind knapp über 19 Kilometer, machen wir mal großzügige 20 Kilometer daraus. Das ist verdammt nahe dran an einer gut besuchten Stadt wie Greenest, mit ausgezeichneten Verbindungen und sicherlich einem dicht besiedeltem Umfeld. Und da hat niemand eine Ahnung, dass sich seit einiger Zeit Räuber in der Gegend tummeln und alles rauben, was halbwegs kostbar aussieht? Na ja, darüber muss man halt großzügig hinwegsehen.
Spannender ist dagegen die Tatsache, dass bei einem bequemen Marsch über die Ebene das Lager in knapp vier bis sechs Stunden zu erreichen ist. Kommt halt darauf an, wie schnell die SC unterwegs sind. Jedenfalls ist es möglich, innerhalb weniger Stunden Nachschub und Verstärkung zu organisieren. Zwanzig Kilometer ist schon arg knapp, vor allem wenn Reise und Sicht über eine leicht hügelige Ebene führen und schlussendlich die Räuber auf ihrem Plateau eine erhöhte Position haben. Aber zum Glück sind sie ja zu dumm, um auf dem Hügel einen Wachtposten einzurichten.
Die Karte des Räuberlagers ist im Buch abgedruckt, aber viel zu schwammig und zu dunkel. Das genügt vielleicht dem SL/DM ein wenig zu Orientierung, aber der muss sich auch erst einmal die Nummern und die dazugehörigen Einträge suchen.
Das Lager selbst soll den SC, und somit auch den Spielern, ein wenig mehr Wissen über den Kult vermitteln. Vorausgesetzt die Spieler haben darauf Lust. Denn an das Lager schließt an der östlichen Wand sofort die Höhle mit dem Drachengelege an, also Kapitel 3. Dort hinein sollen die SC eigentlich erst mit Stufe 3. Allerdings hängt über der Höhle kein Schild, auf dem dieser Umstand vermittelt wird. Und die meisten Spieler neigen dazu, einfach reinzuschleichen. Harte Kämpfe bis hin zum TPK (Total Party Kill) sind da vorprogrammiert.
Es gibt allerdings eine simple Lösung, um das Problem zu umgehen: Es gibt hier keinen Eingang zum Drachengelege. Das befindet sich einfach noch ein oder zwei Meilen weiter nach Süden, der Eingang liegt in einer kleinen Schlucht und nur die oberen Mitglieder des Kultes (Drachenklauen, Langdedrosa, Frulam, Rezmir) kennen den Weg. Im Kommandantenzelt von Rezmir (2) ist das Gelege allerdings auf einer Karte eingetragen.
Dadurch gibt es eine kleine räumliche Trennung zwischen den beiden Kapiteln, die auch psychologisch funktioniert. Die meisten Spieler handeln erst eine Aufgabe ab, bevor sie zur nächsten übergehen. Außerdem besteht so die Möglichkeit, einen weiteren Auftrag zu vergeben: „Was? In den Bergen gibt es ein weiteres Versteck und ein Drachengelege? Geht bitte hin und seht nach, was es damit auf sich hat.“
Außerdem nimmt man so auch Langdedrosa und Frulam aus dem Rennen, die zum Gelege weitergezogen sind. Zwei NSC weniger, die die SC wiedererkennen können, wenn sich diese im Lager herumtreiben. Das ist nämlich gefährlich genug, denn die maximale Anzahl an Gegner liegt bei achtzig bis neunzig, allerdings mit unbegrenztem Nachschub. Außerdem ist Rezmir anwesend, die für die SC verdammt tödlich ist. Zusätzlich hält sich der Rote Magier Azbara Jos ebenfalls im Lager auf. Und zwar im Kommandantenzelt von Rezmir. Leider wurde dieser Eintrag im Abenteuer vergessen und erst später, in einem Interview von Steve Winter, nachgereicht.
Rezmir oder Azbara zu erledigen, dürfte eine mehr als tödliche Herausforderung darstellen. Rezmir wird die Sache wahrscheinlich überleben, der Magier könnte sterben. Wird er hier tatsächlich bereits eingeführt, muss der SL damit rechnen und ihn dann durch einen anderen Agenten ersetzen. Bei Rezmir sieht die Sache anders aus. Kreative Köpfe wären durchaus in der Lage Rezmir in eine Situation zu bringen, um der Drachenlady schweren Schaden zuzufügen. Selbst auf Stufe 2. Immerhin ist dieses Kapitel sehr frei gestaltet. Da gibt es einiges an Möglichkeiten. Selbst wenn die SC einen Kampf mit oder einen Anschlag auf Rezmir vermeiden, gibt es eine weitere Schwachstelle: Die SC könnten sich entschließen die Drachenlady zu bestehlen. Dann wären sie im Besitz des Zauberschwerts und der Maske. Das zu verhindern ginge dann nur mittels Willkür und wäre eine schlechte Sache. Wie sähe eine mögliche Lösung aus?
Ganz einfach: Auch hier ist Rezmir nur ein Schatten, vom dem die Untergebenen ehrfurchtsvoll erzählen: „Die Drachenlady ist bereits mit dem Roten Magier aufgebrochen. Wohin? Das wissen sicherlich nur Langdedrosa und Frulam. Und die halten sich im Gelege auf.“
Wenn sich ein SL dazu entscheidet Kapitel 2 und 3 voneinander zu trennen und Rezmir aus dem Lager zu nehmen, braucht das Lager übrigens einen neuen Kommandanten. Hier bieten sich dann zwei Möglichkeiten an. 1) Es wird einfach Langdedrosa Zyanzorn aus der Höhle genommen und ins Räuberlager verschoben, immerhin ist er ab Kapitel 3 sowieso nur noch Kanonenfutter. 2) Es wird aus den Reihen der Kultisten einfach ein neuer Kommandant generiert. Der kann ein paar neue, unerwartete Facetten mit sich bringen. Es gibt im Netz übrigens einen Generator, der Kultisten mit einigen Hintergrundinfos generiert: Klick!
Wenn sich die Spieler auf das Räuberlager einlassen und nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen, können sie hier sehr viele Informationen sammeln. Allerdings verleitet die Aufstellung und Zielsetzung nach Buch sehr gerne dazu, Leosin zügig zu befreien und einen Abstecher in die Höhle zu unternehmen. Dabei bietet vor allem das Lagerleben sehr viele Möglichkeiten, um abseits des Kampfes Rollenspiel zu betreiben. Charismatische Charaktere und Infiltratoren können hier sehr schön im Scheinwerferlicht stehen und zeigen, was mit klugen Worten zu erreichen ist. Das ist, was mir vor allem an diesem Kapitel gefällt. Leider bietet das Abenteuer zu wenig Material über den Kult, um beim Ausspielen ins Detail zu gehen. Wer bereits The Rise of Tiamat besitzt, sollte dort im Vorfeld noch ein wenig über den Kult stöbern.
Raider’s Camp ist ein kniffliges, aber durchaus lohnenswertes Kapitel mit sehr viel Potenzial. Es kann wie geschrieben durchgespielt werden, verträgt aber auch eine gute Portion Zusatzarbeit.
Dramatis personæ
Nesim Waladra (-): Mönch aus der Kerzenburg und Schüler von Leosin Erlanthar.
Langdedrosa Zyanzorn (HotDQ 91): Ein blauer Halbdrache, der sich gerne mit anderen misst und als gnadenloser Anführer der Truppe agiert.
Frulam Mondath (HotDQ 90): Sie steht im Rang über Langdredrosa und befehligt das Räuberlager.
Rezmir (HotDQ 93): Schwarze Halbdrachin, die Drachenlady genannt wird und eine Wyrmsprecherin ist. Sie bekleidet im Kult einen sehr hohen Rang.
Azbara Jos (HotDQ 88): Ein Roter Zauberer von Thay, der für seinen Meister Kontakt zum Kult hält. Er hält sich im Räuberlager auf, wurde aber von den Autoren vergessen.
Leosin Erlanthar (-): Mönch aus der Kerzenburg, der dem Drachenkult auf die Schliche kommt und bei seinen Nachforschungen in Gefangenschaft gerät.
Cultists (6x/10x/MM 345): Wollen gerne in den Rängen höher aufsteigen und sind bis dahin einfaches Personal.
Kobolds (8x/100x/MM 195): Ergebene Diener des Kultes, denn sie verehren die Drachen.
Guards (5x/30x/MM 347): Söldner im Dienste des Kultes.
Acolytes (2x/MM 342): Söldner die kleine Wunder wirken.
Prisoners (8x/MM 345/Commoner): Fünf Gefangene aus Greenest und drei von umliegenden Höfen.
Dragonclaws (4x/HotDQ 89): Der niedrigste Rang im Kult, aber mit mehr Befehlsgewalt als der einfache Abschaum.
Guard Drakes (4x/HotDQ 91): Drachenartige Echsen auf vier Beinen, die alles bewachen.
Bandits (40x/MM 343): Kommen eigentlich nicht vor, bis sie dann in einem Nebensatz erwähnt werden.
Neben den Namen und einer kurzen Erklärung, ist auch angeben, auf was für einer Seite sich die Werte befinden (MM = Monster Manual, HotDQ = Hoard of the Dragon Queen). Bei den üblichen NSC und Monstern stehen zudem Angaben, wie viele Miniaturen vorrätig sein sollten, falls diese im Spiel eingesetzt werden.
„Es gibt allerdings eine simple Lösung, um das Problem zu umgehen: Es gibt hier keinen Eingang zum Drachengelege. Das befindet sich einfach noch ein oder zwei Meilen weiter nach Süden,“
das ist so einfach wie genial.
Das löst das Problem mit „sie müssen Level 3 sein um hier reinzu kommen“.
Super Danke für deine Tippp. Hoffe du bleinst ein/zwei Schritte vor mir. 🙂
Stimme dir zu. Leosin kommt viel zu früh ins Spiel. Alles in allem halte ich Raider’s Camp aber für eine tolle Herausforderung.