Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. – Staffel 1

Marvel Shield 1Wenn in den letzten Jahren irgendein Genre regelrecht boomte, dann sicherlich das Superheldengenre. Und nach dem grandiosen Erfolg von “Marvel’s The Avengers”, unter der Regie von Joss Whedon, kam eine entsprechend hochwertig produzierte Serie unter der Führung der Studios Marvel, ABC und Mutant Enemy gerade recht. Vor allem, weil sich die Whedonfamilie für die Arbeit hinter der Kamera positionierte und ihre Ideen umsetzen konnte.

Dabei ist zu beachten, dass “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” keine von den Comicvorlagen losgelöste Serie ist, sondern zum Marvel Cinematic Universe (MCU) gehört. Im Rahmen des MCU erzählen Filme und Serie zwar eine Adaption der Comicvorlagen, sind aber aufeinander abgestimmt. Das wird vor allem in “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” ziemlich deutlich.

Die Serie unterscheidet sich bereits im Aufbau und in ihren Möglichkeiten von der Comicvorlage. Schlussendlich wird zwar teuer und hochwertig produziert, aber tatsächlich sind die vielen gezeichneten Comic-Spielereien nur schwer günstig für den TV-Bildschirm umzusetzen, zumal nur die Kinofilme mit einem derart großen Budget daherkommen, dass es fortwährend Spezialeffekte hagelt. Die TV-Serie ist dahingehend kleiner und vor allem bodenständiger, aber auch fleißig am zitieren der Marvel-Filme, um eine entsprechende Bindung zu festigen und immer wieder klarzustellen, dass alle im gleichen Universum agieren.

Dabei macht es großen Spaß, die Kinofilme und die Serie chronologisch zu verfolgen, da zeitlich Rücksicht aufeinander genommen wird. Gut, dass es da jetzt die Box der ersten Staffel gibt. Im Heimkino, also dem eigenen Wohnzimmer, funktioniert die Sache nämlich besonders gut. Vor allem, wenn auch die ganzen Superheldenfilme des MCU zur Verfügung stehen und der Zuschauer die zeitlich jeweils passende Comicverfilmung einschieben kann.

Durch diese Verzahnung und das Zitieren der Filme, wirkt alles wie aus einem Guss. Und als Zucker auf dem Serienkuchen, tauchen auch immer wieder einmal bekannte Gesichter aus den Filmen auf. Bisher allerdings nur Gesichter aus der zweiten Reihe, die Hauptdarsteller lassen sich nicht blicken. Aber das ist weitgehend egal, denn trotz allem machen diese Gastauftritte ebenfalls den Spaß an der Sache aus. Und immerhin konzentriert sich die Serie ja erst einmal auf Agent Phil Coulson, der in “Marvel’s The Avengers” eigentlich starb. Die Hintergründe seiner Wiederauferstehung sind Teil des komplexen Plots, der in “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” zusammengesetzt wird.

Quereinsteiger und Menschen, die nicht auch alle Marvel-Filme der letzten Jahre gesehen haben, finden sich in der Thematik zwar auch schnell und gut zurecht, aber trotzdem fehlt da ein kleines Stückchen Wissen, um ebenfalls Teil des Fan- und Marveluniversums zu werden. Vom Marketing her natürlich ein gelungener Streich, allerdings gibt es Leute, die das nicht mögen und etwas in sich Abgeschlossenes favorisieren. Alle anderen werden die Serie alleine für die Eastereggs lieben, die immer wieder einmal präsentiert werden. Und auch für die Figuren aus den Filmen (wie Nick Fury, Maria Hill, Lady Sif), die Gastauftritte in der Serie haben.

Diese startet allerdings ziemlich verhalten und zeitlich gesehen nach “Marvel’s The Avengers” und “Iron Man 3”. Phil Coulson weilt plötzlich wieder unter den Lebenden und bekommt von Nick Fury den Auftrag, eine Spezialeinheit ins Feld zu führen. Coulson sucht sich ein paar fähige Agents zusammen und beginnt dann unterschiedlichen merkwürdigen Phänomenen nachzuspüren. Das ganze fühlt sich dann wie die typische Fall-der-Woche-Serie an. Zwar ist die Ausstattung hervorragend, aber bei Drehbuch und Dialog wurde eindeutig gespart. Die ersten Folgen sind recht farblos und dröge. Allerdings scheint jemand nach den anfänglichen Episoden den Aufwachen-Knopf gedrückt zu haben.

Episode 8 spielt zeitlich nämlich nach “Thor – The Dark Kingdom” und das Team um Coulson ist mit den daraus resultierenden Aufräumarbeiten beschäftigt. Während die ersten sieben Folgen langsam und recht träge anzogen, geht plötzlich ein spürbarer Ruck durch die Serie. Die Handlung wird fokussierter, es fühlt sich plötzlich alles mehr nach Superheldenserie an und die Charaktere gewinnen an Tiefe und Bedeutung. Vorher war es manchmal, als würden die Schauspieler nur aufs Stichwort warten. Jetzt entwickeln die Figuren Leben und ziehen den Zuschauer in ihren Bann. Diese Veränderung zu sehen ist sehr heftig. Aber vor allem ist sie toll, denn jetzt gibt “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” ordentlich Gas. Spannend ist vor allem, dass es nicht mehr um den Fall der Woche geht, sondern mehrere persönliche Handlungsbögen ins Spiel gebracht werden, zusätzlich zu dem nun deutlich erkennbaren großen Ganzen. Aha, da machen sogar einige Dinge aus den vorherigen Episoden plötzlich mehr Sinn.

Ab diesem Punkt zieht die Serie weiterhin an. Die Agents sind nicht nur cool, sexy oder nerdig, sondern waschechte Persönlichkeiten, die Symapthie und Antipathie erzeugen. “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” befindet sich auf der Überholspur und dann passiert das tatsächlich Unglaubliche, es gibt einen erneuten Ruck und die Serie zieht weiter an. Und zwar mit Episode 17, die während “The Return of the First Avenger” spielt. Ja, genau, richtig gelesen, “während” die Handlung des Films spielt!

Wer jetzt nur die Serie kennt oder den Kinofilm vorher nicht gesehen hat, der wird zwar auch hervorragend unterhalten, aber mit dem Vorwissen aus dem Kinofilm, da ist Episode 17 einfach ein Mordsspaß. Zumal die Handlung ja im MCU spielt und diese gekonnt aufgreift und einbindet. Verdammt, die letzten Episoden sind ein einziges spannendes Finale und andauernd gibt es eine unerwartete Wendung. Beinahe so viele, dass es zu viele sind. Allerdings wahrt “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” tatsächlich die Balance und steuert auf ein hammerhartes Ende der ersten Staffel hin. Wow! Das war nach Sichtung der ersten Episoden nicht abzusehen. “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” ist eine Serie, bei der Durchhaltevermögen belohnt wird.

Inhaltlich gesehen ist “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” eindeutig ein Überraschungshit, der als DVD- und Blur-ray-Box nun auch dem heimischen Wohnzimmerkino zur Verfügung steht. Die Blu-ray-Ausgabe kommt in einem schicken schwarzen Schuber daher, auf dem leider das FSK-Symbol prangt, was wiederum weniger schick aussieht. Ähnlich geht es dem Cover. In der Box befinden sich dann fünf Blu-rays, die ansehnlich gestaltet sind und Figuren aus der Serie zeigen. Einzig Agent Leopold „Leo“ Fitz hat leider keine “eigene” Disc bekommen.

Die Serie selbst wurde hochwertig produziert und dementsprechend hochwertig sieht das HD auch aus. Die Bildqualität ist einfach erstklassig und es macht Spaß, den Blick über Darsteller und Ausstattung schweifen zu lassen. Auch beim Ton gibt es nichts zu mäkeln, der auf der deutschen Tonspur in DTS-HD 5.1 daherkommt. Da es öfter mal zischt und knallt, bekommen die Boxen ordentlich was zu arbeiten. Auf den Discs ist auch die englische Tonspur enthalten, allerdings auf Dolby Digital 2.0 abgespeckt. Für Sprachpuristen natürlich ein kleiner Minuspunkt.

Freunde einer guten Synchronisation werden dagegen mehr als zufrieden sein. Die ist ziemlich gelungen und macht großen Spaß. Die Sprecher spielen richtig mit, was eine tolle Sache ist. Leider gibt es ab Episode 20 einen Knick, denn Anne Helm (unter anderem auch bekannt als Stimme von Amber Heard und Anna Kendrick), die Sprecherin von Skye (gespielt von Chloe Bennet), lag während der Synchronarbeiten der letzten Episoden im Krankenhaus und somit übernahm Anja Stadlober die Sprechrolle. Frau Stadlober ist zwar ebenfalls eine grandiose Sprecherin (sie leiht unter anderem Mila Kunis und Emma Stone ihre Stimme), aber inmitten einer Staffel ist der Stimmwechsel natürlich recht unglücklich. Da hatte das Synchronstudio ziemliches Pech gehabt.

Desweiteren enthält die Blu-ray-Box auch einiges an Bonusmaterial. Hier stechen vor allem die Audiokommentare hervor, sowie die zusätzlichen entfallenen Szenen. Vor allem Fans werden es lieben einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und noch tiefer in die Serie eintauchen zu können.

“Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” bietet beinahe eintausend Minuten spannenden Serienspaß. Zugegeben, der Einstieg ist recht dröge, aber die Serie zieht an und gibt dann richtig Gas. Eindeutig eine Empfehlung!

“Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” im Rollenspiel:

Natürlich bietet sich hier offensichtlich das “Marvel Heroic Roleplaying” (MHR) an. Wo sonst sollten S.H.I.E.L.D.-Agents auch agieren, wenn nicht im Marvel-Universum begleitenden Top-Rollenspiel. Die einzelnen Folgen lassen sich weitgehend als Szenario aufbereiten, allerdings gibt es hier zwei Probleme: Zum einen ist das MHR leider nicht mehr erhältlich, zum anderen kommt die erste Staffel doch recht bodenständig daher. Für das MHR vielleicht zu bodenständig, denn richtig coole Power-Sets gibt es einfach viel zu selten. Man muss sich halt darauf einstellen, dass die Helden hier viel simpler gestrickt sind und keine Superkräfte haben. Außerdem gibt es mehr Story als Action, so dass im Vorfeld einiges an Energie reingesteckt werden muss, um den typischen Wechsel zwischen Action und Transition zu bekommen. Aber es ist durchaus machbar.

Was sich ebenfalls anbietet, sind erzähllastige Systeme wie sie “Fate” und “FAE” bieten. Da kann man im Grunde alles reinpacken, da die Systeme primär auf einer Metaebene funktionieren und Charaktere von Haus aus sehr kompetent agieren. Wer es dagegen etwas klassischer mag, der kann auf “Savage Worlds” zugreifen. Da wären nun zwei Möglichkeiten denkbar:

An erster Stelle natürlich die Aufbereitung mittels dem “Super Powers Companion”. Der Power Level ist dort leicht einzustellen und reicht von Pulp Heroes bis Cosmic. Cosmic ist dabei relativ, denn an die mächtigen Fähigkeiten mancher Marvelhelden kommt man mit diesem System trotzdem nicht so recht heran. Das bleibt dem Klassenprimus MHR einfach vorbehalten. Aber für Abenteuer oder eine ganze Kampagne im Gewand der Agent’s-of-S.H.I.E.L.D.-Serie ist das Companion ziemlich passend. Mehr als bis zum Streetfighters-Power-Level sollte man aber nicht gehen.

“Savage Worlds” bietet auch ein spannendes Superheldensetting an, und zwar “Necessary Evil”. Dort sind die Superhelden eigentlich Superschurken. Mit ein wenig Aufwand lässt sich eine Organisation wie S.H.I.E.L.D. trotzdem einbauen, deren eigene Kampagne vielleicht nach der PPK spielt. Oder als böse Organisation, während die offizielle PPK läuft. Ebenfalls denkbar: S.H.I.E.L.D. vor dem Einsetzen der Ereignisse aus dem Setting, sozusagen im Rahmen einer Originstory zu “Necessary Evil”.

Auf jeden Fall muss im Vorfeld entschieden werden, ob die Spieler die  Helden der Serie spielen, die Serie nur als Schablone für eine eigene S.H.I.E.L.D.-Einheit dient oder die Charaktere im MCU agieren und den Figuren aus der Serie gar begegnen können. Auf jeden Fall hat die Serie das Potenzial für eine kleine Kampagne.

© 2015 by Günther Lietz, all rights reserved

Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. – Staffel 1

Produktionsland: USA (2013)
Produktionsunternehmen: Marvel Television, ABC Studios, Mutant Enemy
Länge: ca. 43 Minuten pro Episode
Episoden: 22 auf 5 Discs
Video: 1080p HD / 1.78:1 / 16:9
Audio: DTS-HD 5.1 Deutsch / Dolby Digital 2.0 Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte
Veröffentlichung: 16. 04. 2015

Produktion: Garry A. Brown
Idee: Joss Whedon, Jed Whedon, Maurissa Tancharoen
Musik: Bear McCreary

Besetzung: Agent Phil Coulson (Clark Gregg), Agent Melinda May (Ming-Na Wen), Agent Grant Ward (Brett Dalton), Agent D. „Skye“ J. (Chloe Bennet), Agent Leopold „Leo“ Fitz (Iain De Caestecker), Agent Jemma Simmons (Elizabeth Henstridge)

Bonusmaterial: Audiokommentare, Bei der San Diego Comic-Con, Einsatzberichte, Patzer bei S.H.I.E.L.D., Zusätzliche Szenen, Visuelle Effekte, Marvel Universe: Assembling A Universe

Packshot, Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. © 2015 by Marvel & ABC Studios

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert