Pumpkin Scissors – Gesamtausgabe
Die Japaner haben eine besondere Sicht auf die Deutschen, deren Kultur und Historie. Das führt regelmäßig zu ziemlich abgedrehten Geschichten. Und auch diesmal wurde nach Europa und Deutschland geschielt, um von den Pumpkin Scissors zu erzählen…
Viele Jahre lang wütete ein schrecklicher Krieg zwischen der Republic of Frost und dem Empire. Da kommt es unerwartet zum Waffenstillstand. Der Frieden scheint greifbar, die Menschen haben zumindest eine Ruhepause und können sich dem Wiederaufbau widmen.
Das ist die Grundlage des Anime “Pumpkin Scissors”, das vom Studio Gonzo stammt. Man kann also einige tolle Ideen und überraschende Wendungen erwarten. Allerdings neigt Gonzo auch immer wieder dazu, einige Sachen einfach zu versauen. So auch hier, aber dazu später mehr.
Drei Jahre nach dem Waffenstillstand leidet das Volk des Empire noch immer unter Hunger und Krankheiten. Der große Krieg zeigt auch nachhaltig seine schreckliche Wirkung. So wird die Sektion III gegründet, unter dem Kommando von Lt. Alice Malvin. Diese ist zudem auch eine Adelige und gehört entsprechend einem privilegierten Stand an, der auch in den Nachkriegswirren weniger leidet, als das normale Volk. Das führt natürlich zu Problemen. Ebenso Korruption, Kriminalität und Bandenbildung. Noch herrscht Chaos im Empire und Alice soll mit ihren Leuten genau dagegen vorgehen.
Bereits hier ist ersichtlich, dass der 1. Weltkrieg und der europäische Adel als Vorlage für den Anime herhalten müssen. Dabei blickt Regisseur Katsuhioto Akiyama nach Deutschland, das als größte Inspirationsquelle dient. Vor allem die Panzer haben es ihm angetan. So ist es kaum verwunderlich, dass zu Alice’ Einheit – die von ihr Pumpkin Scissors getauft wurde – Randal Oland hinzustößt. Oland ist ein wahrer Hüne, hat eine mysteriöse Vergangenheit und schaltet alleine mit seiner einschüssigen Hinterladerpistole einen Panzer aus. Zudem deutet sich zwischen Alice und Oland schnell mehr als nur Sympathie an.
Während die Pumpkin Scissors nun ihren Auftrag erfüllen, und dabei wenig Ansehen im eigenen Militär genießen, dient Olands Vergangenheit als roter Faden und wird immer wieder thematisiert. Spannend an Oland mag noch sein, dass wenn sein Vorname gekürzt wird (R. Oland) Roland dabei herauskommt und zusammen mit der Hinterladerpistole die Assoziation an Stephen Kings Roland aus “Der Dunkle Turm” geweckt wird. Für “Pumpkin Scissors” hat das aber keinen großen Belang. Allgemein ist Oland zwar ein tiefgründiger und spannender Charakter, vor allem im Spiel mit Alice, aber seine Geschichte ist eher etwas zäh und langweilig.
Viel spannender und actionreicher sind dagegen die vielen kleinen Missionen, die von den Pumpkin Scissors bewältigt werden müssen. Hier wird das Leid der Menschen sichtbar, kämpft die Sektion III nicht nur gegen Misstrauen von allen Seiten an, sondern auch gegen die eigenen Leute – und damit ist nicht nur das Militär gemeint. Immerhin gehört Alice dem Adel an und natürlich gibt es auch hier Spannungen. Dabei versucht die Serie zu vermitteln und Verständnis für alle Seiten zu schüren. Es wird auf die Schnittpunkte eingegangen, gezeigt, dass es mehr als nur Schwarz und Weiß gibt, dass die Welt bunt ist – oder derzeit halt in unterschiedlichen Graustufen daherkommt. Die Pumpkin Scissors, und somit die Serie, werben für ein miteinandern, anstatt gegeneinander zu agieren. Das sorgt für prickelnde Spannung.
Desweiteren ist die gute Alice selbst ein ständiger Brennpunkt. Adelige im Militär sind zwar keine Seltenheit, aber Alice ist nun einmal eine Frau und gilt als Erbin des Familientitels. So versucht sie ihren Weg zu finden, zu sich selbst und eine Balance zu finden. Und das ist gar nicht so einfach. Zudem ist sie nicht nur militärischen, sondern auch privaten Manipulationsversuchen ausgesetzt. Eine tolle Hauptfigur, mit Ecken, Kanten und Emotionen.
Aber auch die Nebenfiguren können hier mithalten. Sie allesamt wirken wie Persönlichkeiten, die neben dem Beruf auch einem Privatleben nachgehen – und manchmal kommt es zu Überschneidungen. Die Figuren wirken nahbar, authentisch, haben alle ihren kleinen und großen Geheimnisse. Einige werden aufgedeckt, andere bleiben verborgen. Man möchte einfach mehr sehen, mehr erfahren. Tja, und dann endet die Serie einfach.
Zwar gibt es ein Finale, aber das wirkt inszeniert und beantwortet nicht alle Fragen. Im Gegenteil, es werden sogar neue Fragen aufgeworfen. Der Zuschauer wird damit zurückgelassen, dass er wissen will wie es weitergeht, weil die Geschichte einfach nicht richtig zu Ende erzählt wurde. Das ist sehr Schade. Zu gerne würde man wissen, wie das alles zusammenhängt, wer nun mit wem unter einer Decke steckt. Das Ende ist deswegen einfach ärgerlich.
Wer diesen Ärger ausblenden oder wer mit relativ offenen Enden leben kann, der sollte unbedingt zugreifen. Denn alleine für die kleinen, menschlichen Geschichten lohnt sich die Serie. Und obwohl es meist ernst zur Sache geht, gibt es natürlich auch die ein oder andere humorvolle Einlage und viel Action. Auch die obligatorischen Liebesgeschichten dürfen nicht fehlen. Das macht einfach Spaß und ist eine tolle Sache. Allgemein ist “Pumpkin Scissors” aber eine ruhige und nachdenkliche Serie – trotz der ganzen Action.
Auf der technischen Seite weiß “Pumpkin Scissors” ebenfalls zu überzeugen. Die Bilder sind manchmal etwas verwaschen oder leicht pixelig, aber immerhin handelt es sich um DVD-Qualität aus den Jahren 2006 bis 2007. Dafür hat sich die Serie gut gehalten. Und während die japanische Tonspur nur in Dolby Digital 2.0 vorliegt, kommt die deutsche Tonspur gelungen in 5.1 daher. Es ist zwar kein Audiofeuerwerk, macht aber richtig Laune. Auch die passende Synchronisation weiß zu überzeugen.
Vor allem die Aufmachung ist besonders hervorzuheben. Die Box ist ein kleines Schmuckstück, in Orange gehalten und mit Motiven aus der Serie. Sehr stilsicher und im genau richtigen Pumpkin-Style, der sich auch auf den fünf DVDs wiederfindet. Als Bonus gibt es ein kleines Poster und eine Posterkarte im Postkartenformat. Das hätte es nicht unbedingt gebraucht, ist aber eine nette und willkommene Zugabe. Die Box macht auch ohne Papierkram ordentlich was her.
Trotz offenen Enden weiß die “Pumpkin Scissors – Gesamtausgabe” zu überzeugen. Die Serie ist spannend, actionreich, humorvoll und regt zum Nachdenken an. Und das toll.
Pumpkin Scissors im Rollenspiel:
Als Setting kommt “Pumpkin Scissors” richtig gut daher. Zwar gibt es den ein oder anderen übernatürlichen Aspekt, der aber an sich recht bodenständig daherkommt. Abgehobene Mecha-Action gibt es keine, ebenso keine Hight-Fantasy. Nein, die Serie bleibt auf dem Teppich. Natürlich bieten sich hier freie Systeme an, wie GURPS oder auch Savage Worlds. Ebenso FATE und FAE oder ein PbtA-Hack. Man muss halt Kriegssettings mögen. Wobei es vor allem um die Nachkriegszeit und den Wiederaufbau geht, die sozialen und emotionalen Konflikte. Richtig eingesetzt, hat man hier schnell Rollenspielgold gefunden.
Während sich eine Umsetzung mit Savage Worlds und Weird War I als Quellenbuch förmlich anbietet, ist sicherlich auch eine Adaption für Mutant Chronicles 3 möglich, zentriert auf Imperial – das mit den Trenchern und den Clans gut zum Thema passt. Etwas moderner ginge vielleicht auch die 5e im Modern-Style ganz gut, würde allerdings viel Arbeit brauchen. Sicherlich lohnenswert für Spielgruppen, die ein Klassensystem mögen.
Von den Regeln einmal abgesehen, lohnt sich bei “Pumpkin Scissors” auf jeden Fall der Blick durch die Settingbrille.
Copyright © 2017 by Günther Lietz
Bildmaterial © 2006 RYOTARO IWANAGA•KODANSHA/ GONZO
Pumpkin Scissors – Gesamtausgabe
Originaltitel: Panpukin Shizāzu
Regisseur: Katsuhioto Akiyama
Format: Dolby, PAL
Sprache: Japanisch (Dolby Digital 2.0), Deutsch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
Anzahl DVDs: 5
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Spieldauer: 600 Minuten
Jahr: 2006
Land: Japan
Studio: Gonzo
Publisher: Nipponart
Vertrieb: AV Visionen