Resorbium 20 – Dämmerung – Lucrezia
Der Einstieg in die zweite Staffel war schon etwas länger als gedacht. In Gedanken hatte ich für „Dämmerung“ eine Sitzung weniger eingeplant, aber schlussendlich kommt es ja auch darauf an, wie sehr sich Spieler in eine Idee verbeißen oder Spaß daran haben, eine Szene intensiv auszuspielen. Schlussendlich kann ich als Spielleiter dann auch entspannen und die Sache laufen lassen. Manchmal fehlt mir einfach nur Popcorn und ’ne Cola, während meine Spieler eine tolle Show liefern.
Einer von den Jungs hatte Geburtstag und wollte trotzdem zur Spielsitzung kommen. Als kleinen Appetizer habe ich dann „einige seiner Freunde infiziert“ und als Zombies in die Spielsitzung eingepackt. Dazu Teaser auf die zu erwartenden Geburtstagsgeschenke. Und was soll ich sagen, der junge Mann war dermaßen im Spiel gefangen, er hat das gar nicht gemerkt. Trotz Lachen einiger anderer Spieler. Na ja, das bedeutet dann wohl, dass die Spielsitzung entsprechend packend war.
Immerhin habe ich auch die Ausrichtung ein wenig geändert. Mit dem Auftauchen der Soldaten in der letzten Spielsitzung und dem leicht veränderten Verhalten der Infizierten (ich muss unbedingt mal am Wording arbeiten), hat sich die Fahrtrichtung auch etwas verschoben. Ich sollte darauf achten, dass ich trotz allem Konsistent bleibe und die Story nachvollziehbar und erinnerungswürdig ist. Das möchte ich vor allem durch einige bemerkenswerte SLC (Spielleitercharaktere) erreichen.
Jedenfalls endete die letzte Spielsitzung mit einem kleinen Klippenhänger: Während der Woche Spielpause hatte sich Richards Spieler vorgenommen, den Soldaten mit dem Koffer entkommen zu lassen, entschied sich dann am Spielabend doch dazu, die Männer zu verfolgen. Allerdings mit dem gut gepanzerten und bewaffneten Dingo. Nachvollziehbar, das Ding ist immerhin eine kleine fahrende Festung. Jedenfalls gegen Zombies und Zivilisten.
Richard und Marcel fuhren also mit dem Dingo den Feldweg weiter. Sie kamen zum Ende des Wäldchens und wechselten nun die Fahrtrichtung. Einige Baumreihen weiter lichtete sich das Feld auch wieder und der Blick auf eine Landstraße wurde frei. Einige hundert Meter weiter lag ein Milchlaster quer über die Straße. Davor standen drei weitere ATF Dingos, flankiert von zwei TPz Fuchs. Die Bundeswehrsoldaten waren in einen Hinterhalt geraten.
Richard bremste. Er und Marcel orientierten sich erst einmal und versuchten herauszufinden, was vor sich ging. Die Füchse schienen ebenfalls zu den grauen Männern zu gehören. Jedenfalls standen Männer in grauen Uniformen auf der Straße und hielten entwaffnete Bundeswehrsoldaten in Schach. Einige der Männer in grau umringten ein kleines Mädchen, dass ziemlich unbeteiligt auf der Straße hockte. Gerade als die Männer mit dem Koffer aus dem Wald liefen und auf ihre Kameraden zuhielten, meldete sich Tina über Funk.
Die Polizisten hatte es bei den Bussen nicht länger ausgehalten und sich beim ALDI-Lager ein Auto besorgt. Mit dem Wagen holperte sie gerade ebenfalls über den Feldweg, um Richard und Marcel Unterstützung zu geben. Mit dabei war Hugo, der Franzose aus Hamburg. Er hatte sich ebenfalls aufs Land gemacht, um dort einen Unterschlupf zu finden.
Die Unterstützung war willkommen. Richard hatte sich sein Gewehr geschnappt und nutzte eine Scheune als Deckung, um näher an den Gegner heranzukommen. Marcel hockte im Dingo, um im Notfall herbeifahren oder das Feuer eröffnen zu können. Aus dem ehemaligen Wehrpflichtverweigerer wurde langsam ein knallharter Soldat.
Als sich Richard der Scheune näherte, hörte er aus dem Inneren leises Stöhnen: Zombies! Er warf einen Blick hinein und erschauderte. In der Scheune liefen Zombies umher, die kleine Papphütchen auf dem Kopf trugen. Auf einem Tisch waren die Überreste eines Büfetts und ein grünlicher Filz, aus dem etliche Geburtstagskerzen ragten. Auf einem weiteren Tisch hatte jemand Geschenke aufgebaut.
Richard beschloss die Scheune als Ablenkung zu nutzen und zündete sie an. Wusch! Schon brannte alles. Verdammt, der Spieler steckte gerade seine eigene Zombieparty in Brand. Okay, ich hatte mir eh vorgenommen, ihm an seinem besonderen Tag jeden Ingame-Wunsch zu erfüllen. Selbst das ging an ihm vorbei. Sogar, als ich das Erzählrecht stärker als sonst in Richtung Gruppe verschob. Er war von der Situation eindeutig gefangen.
Die Männer in grau waren nun abgelenkt. Zum Einen war ja der Kofferträger aus dem Wald gestürmt, zum Anderen brannte die ausgetrocknete Scheune innerhalb weniger Augenblicke lichterloh. Richard nutzte die Ablenkung und schlich ein Stück durch das hohe Gras vorwärts und eröffnete kurz das Feuer, bevor er wieder im Gras Deckung ging. Für die Männer in grau geriet die Situation außer Kontrolle.
Der Kommandant bellte auf Spanisch einen Befehl und seine Männer schossen die Bundeswehrsoldaten einfach über den Haufen. Da legte Richard auch schon wieder an und schoss dem Kommandanten eine Kugel in den Kopf. Die anderen Männer zogen sich nun eilig ins hohe Gras zurück, während Richard beim vorwärts schleichen zwei weitere über den Haufen schoss. Das kleine Mädchen stand nun auf und sah sich verwirrt um. Dann ging es in Richtung brennende Scheune.
Dort hatte Marcel den Dingo verlassen und eröffnete mit Pfeil und Bogen das Feuer auf die brennenden Zombies, die es noch aus der Scheune schafften. Immerhin wollte Marcel einen Wald- und Wiesenbrand vermeiden. Von weiter hinten kamen auch schon Tina und Hugo angebrettert. Marcel erledigt noch einen weiteren brennenden Zombie, dann lief er zu dem Mädchen und zog sie von der Straße in Deckung.
Richard kroch nun durch das hohe Gras an den Straßenrand und lief dann über den Asphalt, um den Feind aus der Deckung zu treiben. Einige der Männer in grau hatten die gleiche Idee und so kam es nach dem Seitenwechsel zu einem weiteren Schusswechsel, denn Richard glücklich für sich entschied. Die Sache wurde für ihn immer brenzliger. Zumal es einige der Fremden in die Füchse geschafft hatten und die Motoren anwarfen. Richard war nun eindeutig unterlegen.
Doch Marcel hatte die Situation erkannt und wechselte mit seinen Freunden in den Dingo. Tina klemmte sich hinter das Steuer und setzte das Panzerfahrzeug rückwärts in eine Wiese, um einen guten Schusswinkel zu bekommen. Marcel feuerte einige Granatgeschosse und traf einen Fuchs frontal. Das Fahrzeug ging in die Luft.
Die Besatzung des zweiten Fuchs gab noch einen Raketenschuss auf den neu angekommenen Dingo ab und bretterte dann so schnell wie möglich davon. Die Überlebenden hatten es geschafft!
Um ehrlich zu sein, dass war eine knappe Kiste. Wahrscheinlich hätte ich die Charaktere alle in der nächsten Runde weggepustet, aber meine Männer in grau versauten einfach ihren Moralwurf, den ich allerdings mit ordentlich Malus versah. Immerhin stellte es sich für sie so dar, dass die Soldaten Verstärkung bekommen hatten. Der eigene Kommandant lag tot am Boden und ein beschissener Scharfschütze kroch irgendwo durchs Gras. Scheiß auf Koffer und Mädchen, nichts wie weg!
Die Überlebenden atmeten nun erst einmal durch. Während sich Marcel um das Mädchen kümmerte, knackte Richard den Alukoffer, um den Inhalt zu prüfen. Und der schien es in sich zu haben. Es gab ein dickes Dossier über den ZV, das zum Großteil aus den Daten bestand, die von den Überlebenden in Hamburg selbst sichergestellt wurden. Dazu medizinische Unterlagen und sogar ein Bericht von Professor Schmidt, der Hoffnung machte. Scheinbar gab es doch eine Möglichkeit, um den ZV zu bekämpfen. Jedenfalls enthielt der Koffer auch Dienstanweisungen und Befehle, die an einen Major Backes in der Kaserne Rothenheide gerichtet waren. Dorthin sollte auch Lukrezia gebracht werden, das kleine Mädchen, das sie gerettet hatten. Marcel hatte plötzlich ein ungutes Gefühl in der Magengegend.
Die Überlebenden fuhren nun zu den Bussen zurück und beratschlagten sich mit Karl Theodor. Die Kaserne Rothenheide war ihm ein Begriff. Eine moderne Einrichtung, die er gerne als Vorzeigekaserne für Pressetermine hergenommen hatte. Das war nun das nächste Ziel, denn irgendwo mussten die Überlebenden nun hin. Mit den Bussen auf der Straße zu bleiben und auf offenem Feld zu übernachten, war keine echte Option.
Zusätzlich kam es zwischen Richard und Marcels Mutter zu einem unerfreulichen Zwischenfall. Nachdem Frau Hansen erfuhr, dass ihr Sohn in einen bewaffneten Konflikt geraten war und normale Menschen getötet hatte, gab sie dem Soldaten eine heftige Backpfeife und ging schweigend und wütend weg. Für Frau Hansen gab es noch einen Unterschied zwischen Menschen und Zombies.
Die Kaserne war nur wenige Kilometer entfernt, aber der Konvoi kam nur langsam voran und die Fahrt brauchte ihre Zeit. Alle atmeten auf, als die Abseits gelegene Bundeswehreinrichtung auftauchte. Gleichzeitig hatten die Überlebenden auch Angst, was sie erwarten würde. Zu ihrer Erleichterung waren die Wachen besetzt. Zwar herrschte auf dem Gelände kaum Betrieb, aber es gab hier Überlebende. Und die waren überrascht und froh, dass plötzlich ihr Befehlshaber vor der Türe stand.
Kasernenkommandant Major Backes begrüßte die Überlebenden herzlich und ließ sie erst einmal unterbringen. Die Kaserne war nur minimal besetzt. Die Zombies hatten reichlich Ernte gehalten, bis die Truppe wieder die Kontrolle über das Gelände hatte. Stabsarzt Grundig hatte das kleine Hospital als Gefangenenlager für Infizierte herrichten lassen, um Tests durchzuführen. Für ihn waren die Unterlagen aus dem Koffer Gold wert.
Die Überlebenden hatten erst einmal einen ruhigen Hafen angesteuert und konnten sich ausruhen. Zwar gab es immer wieder Probleme mit Springern, aber Major Backes versicherte, dass er die Situation unter Kontrolle habe. Allerdings trieben sich auf dem Gelände immer wieder einige Zombies herum, die es über den Zaun schafften oder bei der Säuberung übersehen wurden. Deswegen war noch immer Vorsicht geboten und sollte niemand ohne Begleitschutz über offenes Gelände gehen. Das war nachvollziehbar.
Marcel hatte in der Zwischenzeit ein Vertrauensverhältnis zu Lucrezia aufgebaut. Die kleine wirkte zeitweise Teilnahmslos und manchmal auch gelangweilt, dann wiederum schien eine verdrehte kindliche Neugierde an den Tag zu dringen. In Marcels Nähe kam sie jedenfalls ein wenig aus sich heraus und erzählte von ihrem Zuhause und von ihrer Mama.
Irgendwie schien nichts zusammenzupassen. Vermutlich lag es daran, dass das Mädchen durch die Ereignisse einfach traumatisiert war. Im Laufe des Abends stellte sich jedenfalls heraus, dass Lucrezias Mutter Professorin Magdalena Aniewka war, Leiterin der aufgelösten Forschungsgruppe II. Und die Befehle von Major Backes sahen vor, diese Forschungsgruppe wieder zusammenzuführen und nach einem Heilmittel zu suchen. Und Lucrezia schien der Schlüssel zu sein, denn in ihrem Blut vermutete Schmidt ein wirkungsvolles Gegenmittel und nannte Lucrezia nur ZVA. Und was das kleine Mädchen als Zuhause bezeichnet hatte, war eine Pflegeanstalt in der Nähe Hamburgs.
Da plötzlich drehte Hugo durch. Gerade noch hatte er mit Lucrezia gesprochen und die Kleine aufgezogen, da ging er auf den Kasernenhof hinaus und suchte sich ein paar Zombies. Im letzten Augenblick wurde er von den anderen Überlebenden wieder ins Gebäude gezerrt als sie begriffen, was er machen wollte. Hugo hatte nämlich den Einfall gehabt, sich von den Zombies fressen zu lassen. Er verspürte keine Angst mehr vor den Infizierten und über die Konsequenzen machte er sich keine Gedanken. Der erste der Überlebenden war nun endgültig übergeschnappt …!