Samurai Champloo – Gesamtbox [Blu-ray]
Wer auf der Suche nach qualitativ hochwertigen und gleichzeitig unterhaltsamen Animes ist, der wird unweigerlich bei den Werken von Shin’ichirō Watanabe landen. Der japanische Regisseur und Drehbuchautor zeichnet sich durch zwar wenige, aber dafür sehr gelungene Projekte aus. Unter anderem hat Shin’ichirō Watanabe 1998 die Anime-Kultserie “Cowboy Bebop” auf die Bildschirme losgelassen und landete 2004 mit “Samurai Champloo” ebenfalls einen Hit.
Letztere Serie ist dieses Jahr bei Nipponart als schicke Blur-ray-Gesamtbox veröffentlicht worden, die bereits rein optisch den außergewöhnlich Stil von “Samurai Champloo” aufzeigt. Immerhin kann “Champloo” grob als “Vermischung”, “Mix” übersetzt werden. Denn das ist es, was die Serie ausmacht, die Vermischung unterschiedlicher Genres und Stilelemente, der Gegenwart und Zukunft, Humor, Action und Ernsthaftigkeit – um nur ein paar der Dinge zu nennen, die Shin’ichirō Watanabe hier aufbereitet.
Die Geschichte von “Samurai Champloo” dreht sich um ein ziemlich außergewöhnliches Trio. Da wäre Fuu, fünfzehn Jahre alt, schwere Kindheit, aber trotzdem ein sonniges Gemüt. Sie arbeitet in einem Teehaus und lernt dort die beiden Männer Mugen und Jin kennen. Mugen ist ein halbseidener Charakter, rau, insgeheim ehrgeizig und ziemlich unkonventionell. Ihm gegenüber steht Jin, ein Ronin, der ganz konservativ traditionelle Werte vertritt und gebildet ist. Das sind ziemlich unterschiedliche Charaktere. Und so geraten Mugen und Jin prompt in Streit und wollen sich gegenseitig töten, allerdings mischt plötzlich eine weitere Partei mit und somit werden die beiden Männer festgesetzt und erwarten ihren baldigen Tod.
Da Fuu an der ganzen Sache nicht ganz unschuldig und außerdem stets hilfsbereit ist, befreit sie Mugen und Jin, ringt ihnen aber das Versprechen ab, das die beiden ihr helfen den Samurai zu suchen, der nach Sonnenblumen duftet. Was es damit genau auf sich hat, wird natürlich erst später enthüllt und bringt die ein oder andere Überraschung mit sich.
Im Kern baut Shin’ichirō Watanabe ein Vehikel, durch das die drei Hauptfiguren zusammenarbeiten und ein Ziel verfolgen. So wird diese filigrane Freundschaft gefestigt, um sechsundzwanzig Episoden lang zu halten – oder auch nicht. Hier erwarten den Zuschauer weitere unerwartete Wendungen.
Fuu, Mugen und Jin sind ganz außergewöhnliche Figuren. Jede einzelne von ihnen ist eine glaubhafte Persönlichkeit und besitzt genügend Facetten, um in der Handlung zu glänzen. Dabei kommt Shin’ichirō Watanabe allerdings nicht ganz ohne platte Klischees aus. So ist Fuu die typische Jungfrau in Nöten, was stellenweise zwar nicht unbedingt nervt, aber trotzdem stört. Ein wenig mehr Selbstständigkeit wäre schön gewesen. Die beiden Männer sind dagegen wahre Haudegen, der Liebe gegenüber sehr empfänglich, was zu regelmäßigen Ausflügen in die Bordelle der unterschiedlichen Städte führt.
Obwohl Mugen und Jin geil auf Sex sind, artet “Samurai Champloo” keinesfalls aus. Wer also nackte Tatsachen sucht, der ist hier fehl am Platz. Auch Fuu wird manchmal erotisch, aber nie pornografisch in Szene gesetzt. Eine schöne Sache. Aber natürlich ist deutlich erkennbar, dass dieses Abenteuer auf junge Männer als Zielgruppe abzielt und deswegen dem japanischen Genre Shōnen zugehörig ist. Davon einmal abgesehen, kommt die Serie erwachsen und geerdet daher – trotz dem ganzen Humor.
Schlussendlich präsentiert uns die Serie ein Reiseabenteuer, zeigt kulturelle Eigenarten des historischen Japans, die mit Errungenschaften der Gegenwart abgemischt werden. Das ist unheimlich witzig, ohne gleichzeitig albern zu wirken. Klasse gemacht!
Das dürfte daran liegen, dass hier (trotz allem) ernste Themen behandelt werden. Im Kern dreht sich alles um die Figuren, wie sie zueinander stehen, was ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart, aber auch ihre Zukunft ausmacht. Manchmal kommt “Samurai Champloo” dabei episodenhaft daher, dann gibt es wieder mehrere Folgen am Stück, die zu einer Haupthandlung gehören. Stellenweise geht es dabei sehr dramatisch zu, wird die Geschichte aber stets durch lustige Einfälle etwas aufgelockert. Da es Shin’ichirō Watanabe historisch überhaupt nicht genau nimmt, gibt es ziemlich skurrile Einfälle, die einfach nur fantastisch sind (Beatboxing, Baseball et cetera).
Eine besondere Stärke der Serie ist die Musik. Diese stellt für Shin’ichirō Watanabe ein wichtiges Ausdrucksmittel dar und dementsprechend ist die Musik eine der tragenden Säule der Serie. Hier wird (vor allem im Vorspann) Hip Hop eingesetzt, der mit leicht jazzigen Tönen daherkommt. Hip Hop findet dann natürlich auch in der Serie statt – und zwar stets passend. Shin’ichirō Watanabe geht absolut stilsicher vor und der moderne Sound wirkt zu keinem Zeitpunkt unpassend. Ganz im Gegenteil, es gibt ein paar tolle Szenen, in denen der Sound zwar auf den ersten Klang gegensätzlich zum Gezeignetn wirkt, dann aber auf ganzer Linie überzeugt.
Auch bei den Zeichnungen ist handwerklich alles vom Feinsten. Der Stil wirkt leicht comichaft, kommt aber trotzdem erwachsen daher und verzichtet beinahe weitgehend auf überzogene Elemente. Vor allem die vielen und rasanten Actionszenen erscheinen dadurch hart und brutal, was natürlich auch an ihrer Rasanz und der guten Choreografie liegt. Stilistisch ist “Samurai Champloo” vom Feinsten und die Bildgestaltung manchmal sogar regelrecht verschwenderisch, da auf viele Details geachtet wurde. Das macht die Sache herrlich anzuschauen und ist auch etwas für Leute, denen Animes eigentlich zu kindisch wirken.
Auch die Sprecher sind hervorragend. Allen voran der Routinier David Nathan, der Mugen spricht. Aber auch Jin kommt sehr gut rüber, was vor allem an Markus Pfeiffer liegt. Obwohl Jin eher ruhig und besonnen angelegt ist, überträgt Pfeiffer mit seiner Stimme stets die passenden Emotionen an den Zuschauer. Und zu guter Letzt natürlich Corinna Dorenkamp, deren Stimme immer wieder ein klangliches Highlight ist. Sie ist wegen ihrer Arbeit bei den unterschiedlichsten Zeichentrickserien bekannt, in den letzten Jahren aber vor allem als Stimme von Tatiana Maslany aus “Orphan Black”. Die Hauptfiguren bilden somit auch ein tolles Stimmentrio!
“Samurai Champloo” kommt mit beinahe elf Stunden toller Unterhaltung daher, die Action, Humor, Drama und auch ein wenig Lebensweisheit besitzt. Aber vor allem Kurzweil, die sich durchaus mit normaler Serienkost Abseits der Animes messen kann.
Die bei Nipponart erschienene Box hält da locker mit. Das Digipack ist in einem Pappschuber verstaut. Beides ist toll gestaltet, allerdings stört leider der FSK-Verweis, der nicht nur auf dem Schuber, sondern auch auf dem Digipack selbst ist.
Der Inhalt des Packs ist dann natürlich ein geschmacklicher Höhepunkt der Box. Die Blu-rays sind als Schallplatten gestaltet, was für die Serie absolut passend ist. Wie geil ist das denn? Supergeil!
Die Aufmachung lässt das Herz eines jeden Fans einfach schneller und höher schlagen. Zusätzlich gibt es noch ein kleines Booklet, das Interviews (oder eher Statements) der Musiker und Drehbuchautoren beinhaltet. Ohne diese Leute wäre Shin’ichirō Watanabe sicherlich aufgeschmissen gewesen. Abgerundet wird das analoge Bonusmaterial durch drei schicke Postkarten, die zum Verschicken einfach viel zu Schade sind und natürlich das Sammlerherz erfreuen sollen. Unterm Strich ist die Box einfach verdammt cool und ein Schmuckstück im Regal.
“Samurai Champloo” im Rollenspiel:
Für Rollenspieler bietet es sich förmlich an, die Idee der Serie als grundlegende Aufstellung für eine Kampagne zu nutzen: Die Suche nach dem Samurai der nach Sonnenblumen duftet. Das klingt auch einfach schön. Die einzelnen Episoden lassen sich dabei auch gut in Abenteuer umsetzen.
Als System dient sich offensichtlich “Legend of the Five Rings” an, das sich von Haus aus um Samurais dreht. Werden die witzigen Elemente der Serie weggelassen, dann bleibt noch immer eine gute Geschichte, die ernsthafte Bezüge aufweist. Wer es etwas abgedrehter möchte, der sollte auf das “Marvel Heroic Roleplay” setzen und die Samurais schlichtweg als Superhelden anlegen. Die unterschiedlichen Powersets vertragen dann auch blumige Bezeichnungen, um besondere Kampfstile und Fähigkeiten herauszustellen.
Aber auch “Fate Core” und “FAE” eignen sich, um vor allem narrativ an das Thema heranzugehen und eine Spielrunde zu haben, in der vor allem die Geschichte im Mittelpunkt steht und von allen am Tisch getragen wird. Hier sind auch witzige Momente kein Problem. Freunde eher klassischer Systeme können dagegen auf den generischen Boliden “Savage Worlds” setzen, für den eine Umsetzung des Samuraithemas kein Problem darstellt – bis auf den viel zu hohen Schaden des Katanas, so wie es im Grundregelwerk aufgeführt wird. Da sollte die Spielgruppe vorher besser eine Anpassung vornehmen. Bei Verwendung von “Savage Worlds” bietet sich auch die Verwendung passender Adventure Cards an.
Copyright © 2015 by Günther Lietz, all rights reserved
Samurai Champloo – Gesamtbox [Blu-ray]
Regisseure): Shinichiro Watanabe, Mamoru Hosoda
Darsteller: Mugen (Kazuya Nakai, David Nathan), Jin (Gimpei Satō, Markus Pfeiffer), Fuu (Ayako Kawasumi, Corinna Riegner)
Format: PAL, Surround Sound
Sprache: Japanisch (DTS-HD 5.1), Deutsch (DTS-HD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Region: Region B/2
Anzahl Disks: 4
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Spieldauer: 650 Minuten
Studio: Nipponart
Erscheinungstermin: 24. April 2015
Bonusmaterial: Promotional Video, Original-Abspann, Charakter-Entwürfe, Original-Trailer, Postkarten-Set, Booklet mit Interviews mit den Machern
Bisschen lachhaft diese Serie hier in Deutschland erst ab 16 frei zugeben. In Frankreich ist die ohne Altersbeschränkung. Da braucht man sich nicht wunder wenn die ganzen Jugendlichen sich die Sachen illegal aus dem Netz laden oder irgendwo über Stream gucken.