Serial Experiments Lain

Mit dem Anime “Serial Experiments Lain” erscheint bei Nipponart ein wahres Schwergewicht der cyberphilosophischen Erzählung. Worum es in der Kultserie genau geht, ist dabei für manchen kaum zu verstehen.

Dabei beginnt der Anime recht harmlos und erscheint als gewöhnlicher Mysterythriller: Die junge Chisa hat sich das Leben genommen und nun geistert unter ihren Klassenkameradinnen eine ominöse E-Mail herum, die von eben jener Chisa stammt. Während die einen das für einen makaberen Scherz halten, glauben anderen an eine Nachricht aus dem Jenseits. Auch die 13-jährige Lain Iwakura erhält eine solche E-Mail.

Von hier an nimmt die Serie nun eine andere Fahrtrichtung auf, denn Lain wird mehr und mehr in die sogenannte “Wire” hineingezogen, einem globalen Netzwerk, dass stellvertretend für unser Internet steht. Allerdings etwas hochentwickelter. Vor allem für das Jahr 1998, aus dem der Anime stammt. Für eine Serie die noch vor dem Millenium produziert wurde, beinhaltet “Serial Experiments Lain” etliche Ideen, die vor beinahe zwanzig Jahren eher Zukunftsmusik waren, für uns heute aber technischer Alltag sind (Stichwort “Smartphone”).

Lain selbst ist Anfangs wenig technikbegeistert, ganz im Gegensatz zu ihrem Vater. Der unterstützt das plötzliche Interesse seiner Tochter, kann aber nicht absehen, wohin dieses Interesse führt. Denn tatsächlich entpuppt sich die Wire nicht als bloße Vernetzung, sondern verbirgt einige merkwürdige, gar verstörende Geheimnisse. Und ebenso merkwürdig und verstörend entfaltet sich auch die Handlung, die zu einem surrealen Ritt hinein in die Philosophie und die Welt der Computer wird.

Dabei wirft “Serial Experiments Lain” mehr Fragen auf, als Antworten gegeben werden. Die Handlungsstränge der Geschichte werden immer wieder unterbrochen, manche erst gar nicht zu einem Ende gebracht. Die 13-teilige Serie ist dahingehend ein ziemlich widerspenstiges Stück und verlangt von ihren Zuschauern, gefälligst selbst den Kopf anzustrengen und sich mit den angeschnittenen Themen auseinanderzusetzen. Regisseur Ryūtarō Nakamura, sein Autor Chiaki J. Konaka und Charakterdesigner Yoshitoshi ABe liefern hier bewusst eine schwergängige Erzählung, in der die Vision vor der Handlung steht.

Das spiegelt sich deutlich im Aufbau und Stil der Serie wieder. Es gibt nur wenig Action und diese ist sehr handzahm inszeniert. Der Zeichenstil ist spartanisch, geizt mit Formen, Farben und Details. Dunkle Töne, tiefe Schatten, Überbelichtung, gleißende Flecken, minimalistisch eingesetzte Striche, angedeutete Animationen – das alles ist kunstvoll arrangiert. Es ist kein Unvermögen des Animationstudios Triangle Staff, sondern Absicht, um die Erzählung zu unterstützen. Das ist eine ziemlich riskante Sache, denn wer diesen Stil nicht mag, wird mit der Serie nichts anfangen können. Und auch das Thema und dessen Inszenierung dürfte einige Zuschauer abschrecken. Umso mutiger von Nipponart, dieses Kultstück für die Fans neu aufzulegen.

Ebenso spartanisch wie der Stil von “Serial Experiments Lain” ist auch die technische Ausstattung zu nennen. Jedenfalls aus heutiger Sicht. Das Bild kommt im alten TV-Format 4:3 daher und ist von der Qualität her recht altbacken. Auch die Tonspuren in Dolby Surround sind antiquiert zu nennen. Das macht der Serie aber keinen Abbruch, sondern untermauert sogar noch den außergewöhnlichen Stil. Man kann sagen, der Anime ist recht gut gealtert. Schlussendlich will vor allem die Erzählung überzeugen – und das gelingt.

Dahingehend ist auch die deutsche Synchronisation mehr als gelungen. Die Sprecher passen sich dem ruhigen Ton und oftmals bedrückenden Klangdesign sehr gut an. Zu keinem Zeitpunkt wird der Zuschauer aus der Stimmung gerissen.

Abschließend bleibt zu sagen, das “Serial Experiment Lain” nur etwas für ein ganz spezielles Publikum ist. Wer eine erwachsene Thematik sucht, wer sich seine eigenen Gedanken machen möchte und kritisch mit Vernetzung und Kommunikationstechnik umgeht, wer sich eine philosophische Auseinandersetzung wie in “Neon Genesis Evangelion” (aber ohne Action) vorstellen kann, der ist hier an der genau richtigen Stelle.

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Bildmaterial © 1998 Triangle Staff/Pioneer LDC.

Serial Experiments Lain

Produktionsland: Japan 1998
Episoden: 13 zu je 24 Minuten
Genre: Cyberpunk, Science Fiction, Experimentalfilm
Produktion: Yasuyuki Ueda, Shōjirō Abe
Erstausstrahlung: 6. Juli 1998 – 28. September 1998 auf TV Tokyo

Sprache: Japanisch (Dolby Surround), Deutsch (Dolby Surround)
Untertitel: Deutsch
Region: Region 2
Bildseitenformat: 4:3 – 1.33:1
Anzahl Disks: 3

Synchronsprecher (japanisch/deutsch):
Lain Iwakura (Kaori Shimizu/Manja Doering), Alice Mizuki (Saeko Chiba/Sonja Scherff), Shizuki Minagami (Sho Hayami/Till Hagen), Yasuo Iwakura (Ryunosuke Ohbayashi/Detlef Bierstedt), Mika Iwakura (Ayako Kawasumi/Diana Borgwardt), Mihō Iwakura (Rei Igarashi/Sabine Arnhold), JJ (Ari Morizumi/Tim Sander)

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