Speed Grapher – Collector’s Edition
Mit der leicht ergrauten Animeserie “Speed Grapher” kommt ziemlich harter Tobak auf die Bildschirme, der Fans einiges zu bieten hat und wohltuend vom Schema F des Genres auch mal abweicht.
Die Geschichte dreht sich um den ehemaligen Kriegsfotografen Tatsumi Saiga, der sich nun seine Brötchen als Paparazzo verdient. Zu Beginn der Serie verschlägt es ihn in das Tokioer Stadtviertel Roppongi, das hier als regelrechte Sin City dargestellt wird und als Vertreter für jeglichen Sumpf aus Korruption, Sex, Macht und Perversion steht. Saiga hat von einem geheimen Nachtklub in der Gegend erfahren und ist scharf auf ein paar gute Fotos. Allerdings bekommt er mehr, als erwartet.
Im Mittelpunkt des Nachtklubs steht nämlich ein junges Mädchen, dass von den fetischliebenden Besuchern nur “Göttin” genannt wird und für perverse Rituale und Orgien herhalten muss. Im Rahmen dieser geheimen Veranstaltungen versetzt die Königin einen Auserwählten in die Lage außergewöhnliche Kräfte zu entwickeln. Und versehentlich erwischt es Saiga, der sich danach die Göttin schnappt und mit ihr flieht.
Wow, das ist ein verdammt harter Einstieg in die Serie – nach einem genialen Intro, dass durch Style und Musik zu überzeugen weiß. Anhand der Zeichnungen ist zwar zu erkennen, dass “Speed Grapher” ein paar Jahre auf dem Buckel hat, aber das Ausgangsmaterial macht Lust auf mehr. Leider nehmen Lust und Qualität der Zeichnungen mit jeder Episode ein Stück ab. Das liegt allerdings nicht an der Story, die hart und ehrlich daherkommt, um Kritik an unserer modernen Gesellschaft und dem kulturellen Kurs zu üben, der von Geld- und Machtgier immer stärker vorgegeben wird. Nein, die Story selbst ist einfach gut.
Inhaltlich startet das Anime aus dem Hause Gonzo also stark und bleibt es auch. Die Göttin entpuppt sich als Kagura Tennozu, gerade einmal fünfzehn Jahre alt und Tochter von Shinsen Tennozu, eiskalte Witwe und Mutter, die das Firmenimperium mit harter Hand führt. Ihr zur Seite steht Chōji Suitengu, Geliebter, Sekretär und Besitzer des geheimen Nachtklubs. Da Shinsen ihre Tochter und Suitengu seine Göttin zurückhaben möchten, ist die Jagd auf Saiga eröffnet. Doch Dank der Göttin, verfügt dieser über außergewöhnliche Fähigkeiten. Seine Wunden heilen schneller und was er in den Fokus seiner Kamera rückt und knipst, das wird regelrecht abgeschossen.
Somit ist Saiga gar nicht so wehrlos, wenn es in gewalttätigen Actionszenen ordentlich zur Sache geht und das Blut literweise durchs Bild spritzt. Und natürlich bleibt es nicht nur bei Saigas und Kaguras Flucht, sondern gibt es ein hin und her der Figuren, eine Romanze zwischen den Protagonisten (wobei Saiga mehr als doppelt so alt wie Kagura ist) und dunkle Geheimnisse, die es zu lüften gilt. Alles in allem eine spannende Mischung, die aber irgendwann unter ihrer lieblosen Inszenierung leidet.
So stark der Beginn, so mittelmäßig der Rest, bis hin zum Finale. Es scheint beinahe als hätten die Macher während der Produktion die Lust an der Serie verloren. Die Animationen werden klobiger und es kommen immer mehr Standbilder zum Einsatz, auf die gelegentlich per Computer ein flimmerndes Muster oder ein Lichteffekt gepackt werden. Das setzt der spannenden und originellen Story natürlich zu.
Abstriche müssen auch bei der Charakterentwicklung gemacht werden, denn diese findet kaum statt. Jedenfalls nicht bei den Hauptfiguren. Saiga ist stets der markante Typ, den eigentlich nichts erschüttern kann und der sich selbstbewusst seinem Feind stellt. Und Kagura gibt immer die dumme Maid in Nöten, die immer wieder gerettet werden muss. Eine Entwicklung findet eher bei den Nebenfiguren und den Antagonisten statt, die viel authentischer und spannender als das Protagonistengespann wirken. Eine ziemlich durchwachsene Leistung, die hier abgeliefert wird.
Das zieht sich sogar durch die Synchronisation. Einige Stimmen sind sehr passend ausgesucht, andere passen so gar nicht zu den Typen, die dargestellt werden sollen. Die schaupielerische Leistung ist dagegen immer in Ordnung, so dass auch hier nur Mittelmaß erreicht wird – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die Aufmachung der Box ist dagegen sehr gelungen. Nipponart hat sich mit der “Speed Grapher – Collector’s Edition” eindeutig viel Mühe gegeben und künstlerisch einiges aus dem Thema herausgekitzelt. Der Sammelschuber ist wunderschön gestaltet und auch das Design der vier Blu-rays ist etwas fürs Auge. Als Bonus gibt es noch ein schmales Booklet, in dem die wichtigsten Figuren der Serie kurz vorgestellt werden, und einen Umschlag mit zwei schicken Postkarten.
Äußerlich macht die Serie also einiges her, auch Idee und Story sind durchaus gelungen. Schade ist einfach die Mittelklasseninszenierung, die vor allem heutzutage leicht antiquiert wirkt.
“Speed Grapher” im Rollenspiel:
Wenn es um ein Setting im Stile von “Sin City” geht, dann fällt als Savage einem sofort “Streets of Bedlam” ein. Knallhart, raue Sitten, Gewalt, Sex und Perversion – das passt einfach. Die Animeserie beinhaltet zwar massig übernatürliche Fähigkeiten, aber die eigentliche Story ist im Kern so stabil, dass sie auch ohne den mystischen Kram auskommt. Mit ein wenig Arbeit lässt sich nämlich stets ein weltliches Äquivalent finden, um die Action umzusetzen.
Ansonsten eignet sich die Geschichte auch für generische Erzählsysteme. Allerdings würde ich weniger zu “Fate Core”, als mehr zu “FAE” raten. Letzteres ist derart simpel gehalten, dass es das Tempo der Erzählung besser hält.
Copyright © 2016 by Günther Lietz
Bildmaterial © 2005 GONZO
Speed Grapher – Collector’s Edition
Produktionsland: Japan (2005)
Format: PAL
Sprache: Deutsch (DTS-HD 5.1), Englisch (DTS-HD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
Anzahl Disks: 4
Episoden: 24 zu je 25 Minuten
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: Nipponart
Erscheinungstermin: 25. März 2016
Produktion: Naomi Nishiguchi, Taichi Hashimoto
Idee: Shin Yoshida
Musik: Shinkichi Mitsumune
Sprecher: Tatsumi Saiga (Oliver Mink), Kagura Tennouzu (Marieke Oeffinger), Chōji Suitengu (Manfred Trilling), Hibari Ginza (Veronika A. Neugebauer), Shinsen Tennozu (Bettina Kenter)