Splittermond – Des Kaisers neue Kleider

In den letzten Wochen wurde viel über das neue Mainstream-Fantasy-Rollenspiel Splittermond gesprochen und geschrieben. Der Uhrwerk-Verlag hat ein großes Team aufgestellt, um sein neues Produkt ordentlich zu unterstützen. Dabei haben die Macher das ein oder andere Fettnäpfchen getroffen, harsche Kritik einstecken müssen, aber auch einige Sachen richtig gemacht und sich in Communitys und Foren der Spielerschaft gestellt. Zur RPC 2013 kam jetzt der dazugehörige Schnellstarter heraus, der mit den Beta-Regeln von Splittermond daherkommt.

Die Veröffentlichung des Grundregelwerks ist zur Spiel 2013 angepeilt und auch die geplante Produktreihe soll umfangreich und zügig erscheinen. Ein knapper Zeitplan, ein hehres Ziel. Splittermond könnte die deutsche Rollenspiellandschaft aufräumen und dem Platzhirschen Das Schwarze Auge das Revier streitig machen. Doch was steckt tatsächlich unter der Haube von Splittermond? Leistungstarker Bolide oder doch schwacher Spritfresser?

Wer nicht auf die RPC 2013 konnte und deswegen keinen Zugang zu den Vorstellungsrunden hatte, der konnte über Google Plus via Hangout trotzdem dabei sein. Es wurden zwei Kennenlernrunden angeboten – eine am Samstag, die andere Sonntags. Die beiden verantwortlichen Spielleiter hatten sich im Vorfeld ordentlich ins Zeug gelegt. Das Material war sauber aufbereitet und auf die Bordmittel der Hangouts ausgerichtet. Dabei wurden gleich kleinere Schnitzer des Schnellstarters ausgebügelt. Dazu gehörte vor allem, dass die vorgefertigten Charaktere alle benötigten Informationen enthielten und niemand irgendwo nachblättern musste. Wer den Schnellstarter on the fly spielen möchte (was eh nicht funktioniert), sollte sich in die Nähe eines Fotokopierers setzen oder muss damit rechnen, dass sein Heft fortwährend von den Spielern in Beschlag genommen wird.

Gespielt wurde also über Hangout, als Apps kamen Google Drive und Dice Stream zum Einsatz. Splittermond verwendet weitgehend den W10, bei Schaden auch mal den W6. Also keine echte Kontinuität bei den Würfeln. Aber auch keine Spezialwürfel, deswegen konnte auf Zusatzprogramme verzichtet werden. Eine gute Sache.

Aus Zeitgründen konnte ich leider nur an der Samstagsrunde teilnehmen, die wurde aber von David aka Tsu geleitet, einem hervorragenden und ambitionierten Spielleiter. Davids Spielleitung kann übrigens bei Youtube bewundert werden, aber auch sein Vlog ist stets ein Garant für spannende Unterhaltung. Für die Spielleitung kann ich ohne zu zögern ein Sehr gut vergeben. Auf einer Skala von 1-10 (auf der ich die 12 belege) ist David eindeutig eine 9. Bei der Splittermondrunde kam er sogar auf eine 10.

Bereits im Vorfeld hatte ich an Splittermond stellenweise harte Kritik geäußert. Aber auch die Hoffnung, dass das Spiel mich schlussendlich doch positiv überraschen würde. Deswegen ging ich  gut gelaunt ins Spiel und war, ehrlich gesagt, richtig heiß auf eine Runde Splittermond. Ebenso meine beiden Mitspieler und erst recht unser Spielleiter. Der zeitweise wohl dachte ich würde ihn veräppeln, weil ich doch arg in meinem Charakter aufging. Aber hey, ich habe einen Varg gespielt. Und die sind verdammt cool!

Diese Coolness ist allerdings nicht Splittermond bedingt. Hund-, Wolfs- oder auch Hyänenmenschen gibt es in sehr vielen Rollenspielen und selbst in dem MMORPG World of Warcraft sind solche Spielereien vorzufinden. Ich war also entsprechend wohlwollend vorgestimmt und der Beschreibungstext von Arrou, Sandläufer der Tarr war einfach nur toll. Das gilt übrigens für alle vorgefertigten Charaktere, die mit tollen Texten glänzten. Ganz anders als die Teaser, die bisher auf dem Splittermond-Blog zu lesen waren.

Arrou der Varg war also mein Charakter für den Abend und bereits die ersten Zeilen ließen mich in die Welt von SpliMo (diese Abkürzung für Splittermond hat sich weitgehend durchgesetzt) eintauchen. Die Besonderheiten meines Vargs riefen sofort heldenhafte Gedankenspiele auf. Und dann kam schon der erste Dämpfer. Das Fell meines Varg stellte bereits eine Ausnahme der Regel dar. Es absorbiert nämlich Schaden, anstatt – wie Rüstungen – auf die Verteidigung angerechnet zu werden. Okay, damit konnte ich leben. Varge sicherlich nicht, denn ein eine Rüstung aus Vargenfell dürfte wegen dieser Ausnahme von der Regel auf Lorakis (so der Name der Welt) außerordentlich begehrt sein.

Für den Spielabend war aber bedauerlicher, dass Rouharr – Arrous Sandfalke und Begleiter – keine Spielwerte besaß und er nicht in einen Kampf eingreifen konnte. Nun, dafür konnte ihn aber auch niemand töten. Alle anderen Besonderheiten waren Regel-Bla und ich vernachlässigte sie erst einmal. Das würde im Spiel schon kommen.

An meiner Seite reisten Selesha Marabeh, eine Feuermagierin aus Farukan, und Telkin Feuerfaust, ein Priester des Kashrok. Das Trio war in der Arwinger Mark unterwegs, in der Nähe des Seelenmoors.

Die Beschreibung unseres Spielleiters war super und er gab sich verdammt fiel Mühe. Aber die Arwinger Mark blieb recht farblos, was nicht am Regen lag der im Spiel fiel. Anstatt wir einen der wirklich besonderen Orte geboten bekamen, bot sich uns die Standardecke an. Vollkommen austauschbar. Und das eine Handelsstraße durch das einzige (und gefährliche) Moor weit und breit führt, ist ziemlich bescheuert. Aber vielleicht kommt ja noch ein Weltenband und es wird erklärt, warum das so ist. Bisher lautet die Erklärung einfach nur, dass das Moor so riesig ist, das ein Umgehen mehrere Tagesreisen dauern würde. Allerdings ist das Umgehen sinnvoller, als sein Leben und die Waren im Monstermoor zu riskieren.

Wir ließen uns erst einmal nicht beirren und marschierten weiter. In der steten Hoffnung, die Exotik würde noch kommen. Was dann kam, war ein Karren. An dieser Stelle jetzt ein Spoiler! Für meine Kritik an Splittermond werde ich nämlich auf das Abenteuer eingehen. Wer es noch spielen möchte, sollte also nach dem Spielen den ganzen Artikel lesen oder zügig zum Fazit scrollen.

Der Einstieg ins Abenteuer und die Begegnung mit dem Händler waren jedenfalls klasse. David wollte einfach, dass die Runde funktioniert und trat ordentlich aufs Gas. Aber schlussendlich konnte er die Abwärtsspirale kaum stoppen. Zudem vorher ausgemacht war den Schnellstarter Hardcore zu spielen, also keine Handwedeleien sondern strikt nach Regeln. Immerhin ging es darum das Spiel unverfälscht kennenzulernen.

Arrou zu spielen machte trotz allem großen Spaß. Ordentlich das Fell ausgeschüttelt, nach Hund riechend mit dem Händler unterwegs. Und dabei erfuhren wir, wie gefährlich die Gegend ist. Und in meinem Magen bildete sich ein Klumpen Vermutung, der sich mit jeder Minute verdichtete. Da tauchte auch schon Krahorst auf, ein kleiner Weiler. Genau neben diesem gefährlichen Moor. Ach Mist, die Vorzeichen bewahrheiteten sich: Plausibilität gab es keine in dem Abenteuer. Okay, ist ein Schnellstarter, kann sich bei späteren Produkten noch ändern.

Unser Eintreffen in Krahorst löste dann sofort eine Begegnung aus. Der Ochse Willbald war los und musste gestoppt werden. Ha, das war eine Aufgabe für meinen Varg. Als Jäger konnte er gut mit Tieren umgehen. Also aus dem Wagen gesprungen und nach vorne geschritten, um Willbald zu beruhigen. Die anderen planten ähnliches, allerdings mit Feuerzaubern.

An dieser Stelle gab es die erste Begegnung mit dem Tick-System von Splittermond. Anstatt einer üblichen Initiative, kosten Aktionen Zeit in Form von Ticks. Die werden auf einer Zeitleiste nachgehalten, um zu bestimmen wer als nächstes ist. Dabei sind die Aktionen so kleinkariert eingeteilt, dass irgendwie keine Aktion richtig ausgespielt werden kann. Alles wird zerlegt. Tick-Systeme kennen die Leute vielleicht von Die Hohen, Feng Shui, Scion oder dem WoW-Miniaturenspiel. Dort sind die Systeme aber einen Tick schneller und eleganter gelöst.

Willbald stürmte also vor und nahm Arrou auf die Hörner. Ziemliche Überraschung: Es gibt ein Manöver, da darf man sich bewegen und gleichzeitig angreifen. Und bekommt dann auch noch einen heftigen Schadensbonus. Dabei handelt es sich aber um eine Meisterschaft namens Vorstürmen. Diese Meisterschaft dürfte zukünftig für jeden Charakter Pflichtwahl sein. Immerhin ist es eine allgemeine Meisterschaft und nicht an eine Fertigkeit gebunden. Ansonsten bewegt man sich, verschiebt seinen Marker auf der Zeitleiste und erwartet den tödlichen Angriff des Gegners, der diese Meisterschaft hat. Da es in Splittermond möglich ist Gegner mit einem Schlag zu erledigen (regelrecht mit Ansage und regelmäßig), ist das ziemlich frustrierend. Vor allem wenn mehrere Gegner diese Meisterschaft haben. Die legen dann einen so robusten Charakter wie Arrou ziemlich schnell flach. Glücklicherweise verfehlte der Ochse.

Ich setzte mit meinem Varg eine Meisterschaft ein, um Willbald zu beruhigen, die anderen ließen ihn gleichzeitig brennen. Drei Charaktere, ein Gegner und schon war einiges an Verwaltung zu bewerkstelligen. Und es offenbarte sich bei näherer Betrachtung, das auch die normalen Proben ihre Tücken haben. Alleine die ganze Rechnerei. Da wird mit 2W10 gewürfelt (bei Risiko mit 4W10), zwei Attribute und ein Fertigkeitswert addiert. Die Werte stehen glücklicherweise bereits auf dem Charakterbogen – und zwar in der verdammt langen Fertigkeitenliste (bei Arrou 27 Einträge, darin enthalten Akrobatik und Athletik). Dabei ist zu beachten, dass die Fertigkeitenliste im Schnellstarter die gekürzte Fassung enthält. Später wird es noch 4 bis 5 weitere Fertigkeiten geben. Noch mehr Buchführung.

Kommt eine Meisterschaft oder eine Charakterbesonderheit ins Spiel, dann werden weitere Sachen draufgerechnet. Meistens sind das so +3. Aber auch das ist nicht immer so. Der Wurf geht dann gegen einen Zielwert von 15, 20, 25 oder 30. Kombinationen aus 1/1, 1/2 (also 2-3) und 10/10, 9/10 (also 19-20) bedeuten dann das 10 Punkte abgezogen oder 10 Punkte addiert werden. Also kritischer Fehlschlag oder Erfolg. Wobei, es gibt eine Tabelle in der steht wie weit man kritisch danebenliegt. War es ein Erfolg, dann bestimmt nach Abzug des Zielwerts ein Vielfaches von 3 die Anzahl der Erfolgsgrade. Bei vier Erfolgsgraden oder mehr bekommt der Charakter einen Splitterpunkt. Das ist mieses Regeldesign.

Ich will nicht auf alle Details eingehen, aber auf die wichtigsten. Erst einmal gibt es in der Spannweite der Ergebnisse nach oben und unten Lücken. Bestimmte Werte können gar nicht erreicht werden. Die Anhebung der Schwierigkeiten in 5er-Schritten sieht zwar linear aus, ist es aber nicht. Die Schwierigkeit steigt nach oben hin stärker an, als es suggeriert wird. Allgemein sind die Zahlen viel zu hoch, als das die Ergebnisse am Spieltisch bequem ausgerechnet werden können. Die wenigstens Spieler (und ich gehe davon aus, dass die Spieler die Zielgruppe sind) haben Lust auf ein ständiges Kopfrechnen. Vor allem nicht in einer gemütlichen Runde. Schlussendlich bleibt die Arbeit an jemandem hängen, der zügig weitermachen will. Dahingehend den Spielleiter entsprechend zu triggern war auch in meiner Testrunde kein Problem. Hohe Werte und Kopfrechnen sind bei SpliMo leider keine Ausnahme, sondern die Regel.

Alles Jenseits der 5 ist für Menschen übrigens nur willentlich zu erfassen (Stichwort Simultanerfassung) und bedeutet Hirnleistung, also Arbeit. Und bis 10 rechnet es sich noch einfach, darüber hinaus kostet es etwas mehr Hirnschmalz. Mehr als einen Faktor oder Bonus anzurechnen treibt die Sache ebenfalls nach oben. Die Überprüfung der Teilbarkeit ist bei 4 und 5 einfacher als bei einer 3. Zudem liegen dem Menschen gerade Zahlen mehr, als die ungeraden. Mit diesem Wissen im Hinterkopf sollte eigentlich klar sein, dass viele Spieler Probleme mit der Rechnerei haben werden – alleine schon, weil sie damit überfordert sind.

Die Proben in ihrer jetzigen Form werden viele Spieler abstoßen, verärgern oder mit einem unguten Gefühl zurücklassen. Im Endeffekt sind es verlorene Käufer. Ein Spiel, dass sich auf die Fahne geschrieben hat den Mainstream zu bedienen, sollte auch auf den Mainstream Rücksicht nehmen und darauf verzichten ein System zu gestalten, dass nur für Profis und Zahlenfetischisten zügig spielbar ist.

Das war aber nur der Auftakt und trotz dem Zusammenstoß mit Willbald war ich guter Hoffnung. Und dann kamen die Spielleiterfiguren ins Spiel. Der Klumpen Vermutung vom Anfang der Spielrunde explodierte förmlich. Unser Spielleiter legte eine außerordentlich gute Darbietung hin, aber trotzdem war sofort die DSA-Keule da. Das ganze Abenteuer dünstete Das Schwarze Auge aus. Die Mark hatte sich bereits wie das Mittelreich angefühlt, die Namen der Leute, der Aufbau der Umgebung, der Plot, die Geschichte, die vielen unzähligen und unnötigen Details – das war und ist DSA. Was für ein Mist! Das hat mich tatsächlich aus der Immersion gerissen. Spielern anderer Runden ging es genauso.

Ich habe den Schnellstarter und das Abenteuer durchgelesen. Die ganze Sache liest sich wie der Aufguss eines typischen Das-Schwarze-Auge-Abenteuers. Kein Wunder, kommen die Autoren ja aus der DSA-Ecke. Uns es scheint ihnen nicht zu gelingen die DSA-Prägung abzuschütteln. Die Länder haben andere Namen, aber bei den Monsterbezeichnungen und den Namen der Leute, da knallt eindeutig DSA rein. Auch der textliche Aufbau des Abenteuers ist DSA, mit all den kleinen und großen Stilblüten. Es stellt sich jetzt natürlich die Frage, ob das Absicht oder Erziehung ist. Beides hat einen faden Beigeschmack.

Es folgte Charakterspiel im Weiler und dann stand die Übernachtung an. Wie es sich gehörte, kam es zu einem Überfall.

Es ist schon ziemlich dumm einen kleinen Weiler am monsterverseuchten Sumpf zu platzieren. Und der Notfallplan der Krahorster bestand darin, dass jemand losreitet und Hilfe holt – anstatt alle zusammen kämpfen oder fliehen. Was für ein Murks. Aber egal, denn endlich kam es zu einem richtigen großen Kampf. Ein halbes Dutzend Rattlinge hatte den Weiler überfallen. Ja, auch die Monsterbezeichnungen sind alle ziemlich altbacken. Epische Fantasy liest sich einfach anders.

Mein erster Gedanke war durch das Fenster nach Draußen zu springen und unter den Rattlingen aufzuräumen. Aber schlussendlich entschied ich mich, mit dem Zwergen zusammen nach unten zu laufen. Das war einfach besser für die Ticks und das erste Anzeichen, dass hier etwas schief lief. Tatsächlich kristallisierte sich heraus, dass das System das Spiel und die Welt nachhaltig und negativ beeinflusst. Bestimmte Verhaltensweisen und Taktiken müssen einfach unter den Tisch fallen, um anhand des Systems den Sieg zu erringen. Echtes Heldenspiel dauert einfach zu lange und muss ständig pausieren. Bei Splittermond steht das System über der Spielwelt, anstatt sie zu tragen. Das ist auch typisch DSA.

Mein Arrou rannte also in die gute Stube, um sich den Rattlingen zu stellen. Ich blieb etwas auf Abstand stehen, um die Gegner herankommen zu lassen. Das würde sie Ticks kosten und mich in die Lage versetzen … Scheiße! Natürlich konnten auch die Ratlinge vorstürmen. Aber die Sache sah gut aus, denn Rattlinge sind gerade mal einen laufenden Meter hoch und nur mit kleinen Speeren bewaffnet.

Aber sie konnten halt vorstürmen, was der erste auch tat und mich echt überraschte. Erst einmal versuchte ich eine aktive Parade und war erstaunt, dass die sich nur so schimpft. Eigentlich wird für den Preis von 3 Ticks die passive Parade erhöht – mit etwas Glück. Im Grunde ist der Nutzen aber ziemlich gering. Eigentlich ist eine aktive Parade nur gut, um Splitterpunkte durch triumphale Erfolge zu generieren.

Beim Vorstürmen wird die halbe Geschwindigkeit auf den Schaden angerechnet. Und so ein Rattling bekommt dadurch 4 Punkte Extraschaden. Und ärgerlicherweise macht ein Rattlingspeer genau so viel Schaden wie jeder andere Speer. Also 2W10! Da kann sich jeder ausrechnen, wie mein Varg in der Klemme steckte. Ärgerlicherweise kam der nächste Rattling dran, weil ich ja wegen der aktiven Abwehr jetzt einen höheren Aktionsplatz hatte. Das ist vor allem wegen dem Tick-Flaschenhals bei Start eines Kampfes verdammt mies. Und der Rattling besaß – wegen der Überzahl – nun auch noch einen taktischen Vorteil und bekam +3 auf den Wurf. Zusätzliche Erfolgsgrade erhöhen übrigens den Schaden.

Also setzte ich wieder auf die aktive Parade, hoffte auf einen Splitterpunkt und wurde um 3 Ticks nach oben verschoben. Was soll ich sagen, jetzt war auch noch der dritte Rattling vor mir dran und stürmte vor. Als ich dann endlich an der Reihe war verzichtete ich auf einen Angriff (wäre ja nur einer gewesen gegen dermaßen gefährliche Gegner) und rannte weg. Arrou hatte bereits Verletzungen abbekommen und einzig meine Geschwindigkeit konnte mich noch retten. Heldenhaftes Rollenspiel fühlt sich anderes an. Draußen war auch prompt ein Krähenmonster, das schlussendlich im Laufe des Abenteuers gefunden und zur Strecke gebracht werden musste. Glücklicherweise zerriss es einige Rattlinge in der Luft.

Am Ende waren wir glücklich siegreich und die Wunden wurden versorgt. Die Heilregeln sind übrigens genau so ein Murks, wie die restlichen Regeln. Zudem ist das Tick-System eine Spaß- und Spielbremse. Jeder Teilnehmer muss einzeln verwaltet werden, ebenso Zauber und Effekte. Immerhin ist es bei Zaubern so, dass die erst einmal vorbereitet und dann an Punkt X ausgelöst werden. Das Ganze garniert mit einem bremsenden Punktekostensystem. Gift wirkt unter anderem so, dass es alle paar Ticks Schaden macht. Das sorgt für ein unheimlich langsames Spiel. Hier präsentiert sich ein schlechtes Tabletop-System. Ein Bodenplan ist übrigens Pflicht, immerhin kostet jeder einzelne Schritt Ticks und die Bewegung nicht genau nachzuhalten kann schnell mal einen Spieler benachteiligen. Gegner sind auch nicht in Gruppen zusammenzufassen, da sie sonst ständig zeitgleich handeln müssten – in allem. Und das funktioniert einfach nicht.

Während einem Kampf ist es möglich auf Toilette zu gehen oder sich einen Tee zu kochen. Das war nicht nur in unserer Runde so, sondern auch in einer anderen Runde, bei der ich mich später als Zuschauer zuschaltete und es eine ausführliche Nachbesprechung gab. Dazu gibt es noch einen Haufen weiterer Nachteile. Alle abzuarbeiten, das würde den Rahmen dieses Artikel sprengen.

Jedenfalls zogen wir weiter. Ich war schon ziemlich genervt davon dermaßen generft zu werden. Immerhin suggerierte der Text und die Charaktervorstellung etwas, das gar nicht vorhanden ist: Einen heldenhaften Spielstil. Ich kam mir vor wie bei DSA, wo die Spieler angeblich als Helden in einer spannenden Welt unterwegs sind, tatsächlich aber kleingehalten werden und der Willkür des Spielleiters ausgeliefert sind. Alles gepaart mit einem angeblich simulativen Ansatz (in einem Würfelspiel ist das eh Unsinn) in einer pseudomittelalterlichen Welt. Kann oder will das Splittermond-Team das nicht anders? Ich vermute leider letzteres.

Das Finale wurde von unserem Spielleiter richtig gut gestaltet, war aber trotzdem ziemlich dröge und unfreiwillig komisch. Schlussendlich lief es darauf hinaus, dass unser Zwerg das Krähenmonster andauernd umschubste, um die Ticks des Viehs zu erhöhen, damit er wieder vor dem Monster an der Reihe war – um es erneut zu schubsen. Die Magierin machte derweil ein Puzzle. Ich kochte Tee, schmierte mir ein Brot und sah zu, wie das Krähenmonster regenerierte – falls ich denn mal Schaden machte. Anschließend musste das Ding auch noch an die Leine genommen und eingehakt werden. Mit zwei Fertigkeitsproben, die niemand richtig auf dem Schirm hatte und mehr mit Glück als Können gelangen.

Ernsthaft, Splittermondproben sind weitgehend zufällig. Die Spannbreite ist dermaßen hoch, die Faktoren einfach zu stark oder nichtssagend (das ganze System ist einfach inkonsistent) und die Splitterpunkte zu flach und kleingehalten. Tatsächlich ist es besser immer auf Risiko zu würfeln, vor allem bei hohen Werten. Dann sind kritische Fehlschläge nämlich ausgeschlossen.

Die Spielleitung war jedenfalls erste Sahne, den Schnellstarter zu lesen machte Spaß. Die Welt ist durchschnittlich, das Abenteuer ganz passabel und das System für die Tonne. Es ist aus unterschiedlichen Spielen zusammengeklaut, hat kaum Bezug zur Welt (kann im Grunde für jedes andere 0815-Fantasy-Setting herhalten) und ist einfach schlecht. Zugegeben, es sind die Beta-Regeln, aber egal wo hier noch etwas verbessert wird, das Fundament ist einfach misslungen. Daran werden auch kleine Änderungen nichts bewirken. Vor allem an der massiven Buchführung wird es nichts ändern. Und mal ehrlich Wir alle wollen doch Helden spielen und nicht Steuerberater.

Die größte Enttäuschung waren aber die Splitterpunkte, die aber durch die Art ihres Einsatzes nichtssagend sind. Dabei sollen gerade die Splitterpunkte ein Merkmal des Spiels sein. Von den Mondpfaden und der Anderswelt ganz zu schweigen, die überhaupt nicht vorkamen. Eine große Entäuschung.

In die Tonne klopfen und neu machen ist die einzige Möglichkeit, um hier was zu retten. Splittermond ist jetzt schon Makulatur. Der Uhrwerkverlag hat sich verrannt. Das System wird später weitgehend nur von Hardcore-Fanboys und den Machern gespielt. Denn die kommen mit ihrem Quatsch ja klar. Das Splittermond-Regelsystem ist eindeutig ein Reißbrettsystem, das von den Verantwortlichen scheinbar mit einem Tunnelblick betrachtet wird. Für Spielleiter ist es ein Graus, denn der Verwaltungsaufwand ist sehr groß – außer es wird mit Handwedelei gespielt. Aber dann wäre das umfangreiche Splittermond-System eh unnötig.

tl;dr Die Klappe halten bringt nix, das System ist Mist!

17 Kommentare

  • Mist. Ich war ja von vornherein nicht besonders optimistisch, was ein aufgezogenes neues großes Rollenspielsystem angeht. Wenn dann die Mechanik auch noch so vertrackt ist, dann wird das erst recht nichts. In diesem Segment gibt es genug Konkurrenz.

    Erinnert mich ein bisschen an meine (aller)ersten Gehversuche in der Entwicklung von Rollenspielen.

  • Pingback: Kritik am Splittermond-Schnellstarter | Arkanil

  • Oh weh. Diese Analyse klingt aber gar nicht gut.

    Bei dem Video gehst du aber ein wenig unfair vor: Es wäre einfacher und übersichtlicher, wenn die Punkte nicht bunt durcheinander auftauchen würden. Das suggeriert ein Chaos, das beim Würfeln so nicht vorliegt. Vier Zahlen addieren, eine abziehen und dann teilen ist zwar viel (und auch mir deutlich ZU viel), aber nicht so ungewöhnlich für ein halbwegs simulatorisches Rollenspielsystem.
    Da wir Menschen in 5er- und 10er-Schritten denken, wäre es fairer gewesen, die Punkte entlang eines solchen Rasters auftauchen und verschwinden zu lassen, da wäre der abschließende Schritt des Durch-3-Teilens immer noch Störfaktor genug gewesen, um die Kritik an dem System zu verdeutlichen.

  • +Mondbuchstaben Oh, kommt das Video als Kritik rüber? Das war gar nicht so gedacht, sondern ich wollte damit eigentlich nur verdeutlichen, wie so ein Wurf bei SpliMo aufgebaut ist. Ich werde das die Tage mal überarbeiten, um das deutlicher herauszustellen. Ich war wohl doch zu flott damit. ^^

  • Ich kann dir – vor allem in Bezug auf deine Kritik an der Rechnerei und dem Tick-System – nur zustimmen. Das ist so für mich unspielbar. Für eine finale Fassung sollte zumindest ein alternatives Initiativesystem her, damit man ohne Ticks spielen kann. Dann ist das Bestimmen der Erfolgsstufen zwar immer noch massiv abtörnend, aber evtl. für die Buchhalterfraktion unter den Rollenspielern machbar..

  • Es ist – zum Glück – nur eine Beta-Fassung. Ich hoffe bis zum Release wird noch einiges geändert und es aus dem hässlichen Entlein wird ein wunderschöner Schwan. ^^

  • Ich will mal eine Lanze brechen für das Ticksystem, ich leite seit Jahren Exalted und da hat sich das Tick System wunderbar bewährt. Am einfachsten ist es mit einer Schablone wie am Ende des Regelwerkes und jeder Charakter wird durch ein Spielstein zum Beispiel einfach gesetzt und gezogen. Das tut nicht weh und da muss auch nichts gerechnet werden. Ich finde das Ticksystem toll und habe es auch in andere Regelsysteme wie Earthdawn übernommen.

  • Ich habe nichts gegen ein Tick-System, das SpliMo-Ticksystem ist in seiner bisherigen Form aber Mist. Tick-Systeme im allgemeinen sind aber problematisch in der Umsetzung. 🙂

  • Da ich vom Schnellstarter einen weit besseren Eindruck hatte als Taysal, möchte ich an dieser Stelle zur Abwechslung auf einen etwas unvoreingenommeneren Blog verweisen, der sehr objektiv und ganz ohne Bashing auf die Betaregeln

    http://rpgnosis.wordpress.com/2013/06/05/splittermond-ein-erster-blick-in-die-beta-regeln/comment-page-1/#comment-18

    und auf das Magiesystem

    http://rpgnosis.wordpress.com/2013/06/06/splittermond-das-magiesystem-betaregeln/comment-page-1/#comment-19

    eingeht.

  • Ich schalte deinen Kommentar, trotz deines Vorwurfs Bashings, mal frei. Es geht ja nichts über eine kleine Linkliste. 🙂

    „(…)Bashing, verbaler oder physischer Angriff im Zuge eines Konflikts(…)“
    Quelle: http://de.wikipedia.org/

    Es gibt keinen Konflikt mit SpliMo und ich greife das System oder die Redaktion auch nicht an. Dass sich jemand angegriffen fühlt, ist nicht mein Problem. Mein Artikel stellt meine Eindrücke vom Schnellstarter dar und analysiert das, was veröffentlicht wurde. Dafür war/ist die Schnellstarter-Beta doch da, um Feedback zu geben. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es der Redaktion um „fishing for compliments“ ging. Ich halte den Begriff „Schnellstarter“ deswegen auch für falsch und würde das Heft eher als „Teststarter“ bezeichnen. Eine Seite mit Designernotizen wäre toll gewesen.

    Wie bereits an anderer Stelle geschrieben (ich glaube auf Arkanil.de) achte ich die Arbeit von Uhrwerk und den dortigen Mitarbeitern sehr (wer auf meinem Blog etwas stöbert, wird das eigentlich feststellen). Ich persönlich sähe gerne, dass Splittermond ein Erfolg wird. Und genau deswegen haben es die Leute verdient, dass ich ihnen meine ehrliche Meinung sage. Das dann als Bashing zu bezeichnen, Vhalor, ist ziemlich unhöflich.

  • Dann nennen wir es nicht bashing sondern harsche Kritik ohne für mich ersichtliche konstruktive Vorschläge.

    Oder was sollen die Entwickler von Ausdrücken wie „in die Tonne klopfen“, „der Aufguss eines typischen Das-Schwarze-Auge-Abenteuers“ oder „ist jetzt schon Makulatur“
    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Makulatur

    bzw. die ständigen DSA-Spitzen mitnehmen? Mir tut der Autor des Abenteuers jedenfalls leid, wenn ich die ganzen negativen DSA-Vergleiche lesen muss. Ich finde z.B., dass die Region zwar durchaus eher beliebig ausgefallen ist, aber keinesfalls einen ausschließlichen „das war und ist DSA. Was für ein Mist!“ Anstrich hat.

  • Der Vollständigkeit halber hier auch der dritte Artikel – nun zum Kampfsystem:

    http://rpgnosis.wordpress.com/2013/06/07/splittermond-das-kampfsystem-betaregeln/

    mfg

  • Den Begriff „Makulatur“ habe ich absichtlich gewählt. Seine Bedeutung ist mir durchaus bekannt.

    Und ja, meine Kritik ist hart und bricht mit der deutschen Tradition der Relativierung. Aber nur so wird sie auch wahrgenommen und erfährt Resonanz. Eine weichgespülte Kritik geht schnell einmal unter. Nur Härte bewegt zum Umdenken. Das habe ich mir übrigens nicht ausgedacht, der Mensch ist so veranlagt.

    Konstruktive Kritik muss nicht immer mit Lösungen oder Vorschlägen daherkommen. Sie ist bereits dann konstruktiv, wenn auf tatsächliche Mängel hingewiesen wird. Es ist auch nicht meine Aufgabe das Splittermon-System neu zu schreiben. Es gibt ja bereits eine große Redaktion, die für ihre Arbeit sicherlich bezahlt wird und sich da ruhig Gedanken machen kann.

    Mitleid bringt den Autoren nicht weiter. Wie soll er sich verbessern oder etwas ändern, wenn alle seinen Kram nur abnicken, obwohl er schlecht ist?

    DSA hat einfach seine Schwächen, die System und Welt lächerlich erscheinen lassen. Und ich denke SpliMo wird auch durchaus auf DSA-Spieler als Kunden schielen, aber kein DSA sein wollen. Und diese Selbstständigkeit fehlt im Abenteuer, dass dafür aber die typischen DSA-Schwächen aufzeigt. Der typische DSA-Spieler wird die mögen, tolerieren oder vielleicht erst gar nicht sehen. Aber es soll später garantiert den typischen SpliMo-Spieler geben. Wenn der sein System erklärt darf am Ende nicht herauskommen „so ähnlich wie DSA“. Auch wenn SpliMo die Mitte der Rollenspiellandschaft abdecken möchte, müssen Welt und System auch Splittermond ausatmen.

    Danke jedenfalls für die Verlinkung auf die Artikelreihe auf RPGnosis.

  • Und um die Sache in den Kommentaren abzurunden, ein weiterer Link auf rpgnosis:
    http://rpgnosis.wordpress.com/2013/06/13/splittermond-ein-beta-spielbericht-1/

  • Pingback: Splittermond – Meinungen und der aktuelle Stand › NerdImpact

  • Pingback: Splittermond Schnellstart-Regeln (Beta Edition) – Eine kritische Betrachtung | Rollenspiel, LARP und Phantastik Webmagazin - Teilzeithelden.de

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