The Last Parcec: Odyssee im Weltraum

In der Weihnachtszeit und zwischen den Jahren setzen bei mir meistens die regulären Runden aus. Es ist viel zu erledigen, die Leute besorgen Geschenke oder schlagen sich irgendwo mit Leckereien den Bauch voll. Da bleibt, wenn überhaupt, nur kurzfristig Zeit, um eine Runde zu organisieren. So auch dieses Jahr. Dank dem Internet ist man allerdings weitgehend ortsungebunden, was ein Vorteil ist.

Bei der Suche nach einer spontanen Runde Zwischen den Jahren ging ich erst einmal von einem One Shot aus. Es fanden sich genug Leute und am Ende war ich der Spielleiter. Das lag unter anderem daran, dass ich – im Gegensatz zu manch anderem – keine Vorbereitungszeit brauche.

Um wenig nachdenken zu müssen war von mir Savage Worlds vorgegeben. Das kann ich einfach recht gut und muss auch nicht viel übersetzen. Die Spieler hatten Lust auf Science Fiction. Allerdings nicht nur nach Grundregeln, sondern mit The Last Parsec als Setting. Einer der Mitspieler stellte der Runde die PreGens zur Verfügung, während ich die Settingregeln überflog. Das sah auf den ersten Blick nicht kompliziert aus. Für einen One Shot sollte es reichen. Womit noch niemand rechnete: Es wurde eine kleine Kampagne. Und somit auch ein unfreiwilliger Härtetest für The Last Parsec.

Bereits im Vorfeld war das Setting bei seinem Erscheinen von mir als schluderig umgesetzt eingestuft worden. Im Detail und in der Praxis offenbarte sich dann, dass es schlimmer als angenommen ist. Das beginnt damit, dass die offiziellen PreGens (also die vorgefertigten Charaktere) Geld kosten. Das ist in meinen Augen schon ziemlich unverschämt. Ich betrachte PreGens eher als Service oder Werbemittel. Vor allem bei Savage Worlds ist die Charaktererstellung kein Aufwand. Richtig übel wurde es dann in der Praxis. Ziemlich schnell offenbarte sich nämlich, dass die PreGens verbaut waren – und vor allem nicht richtig abenteuertauglich. Gleichzeitig offenbarte sich auch die grundlegende Prämisse des Weltraumsettings: Es spielt nicht wirklich im Weltraum!

Im Grunde genommen steht in The Last Parsec einer Spielgruppe das ganze Universum offen. Denn man kann ja in minutenschnelle jeden gewünschten Punkt erreichen, falls es eine Navigationsboje gibt. Ansonsten dauert die Sache allerdings Monate. Im Grunde genommen aber nur Tage. Klingt verwirrend? Nun, das liegt daran, dass The Last Parsec auf dem Science Fiction Companion aufbaut (der übrigens viel schlechter als die alten Toolkits ist). Und im Bereich der Weltraumreise wurde daraus einfach eine große Passage ins Setting kopiert – ohne die allerdings anzupassen. Dadurch widersprechen sich die Regeln plötzlich. Autsch!

In diesem Stil geht es dann weiter. Offensichtlich ist es nicht vorgesehen, das die Charaktere ein eigenes Raumschiff haben. Alleine die Kosten für Reparaturen und Tanken sind astronomisch hoch. Aber es mangelt bei den PreGens eh an Dingen wie Wissen (Astrogation) oder Pilot – die allerdings wichtig sind. Stattdessen können manch vorgefertigte Weltraumhelden Autofahren. Wichtige Rassenmerkmale sind bei den Spielwerten nicht aufgeführt (Florans brauchen einen Translator, um mit anderen zu kommunizieren), dann gibt es zwei Regelungen die Anzahl der bekannten Sprachen  eines Charakters betreffend: Mal sind es Skills, mal ist es der halbe Verstand. Der Roboter bei den PreGens ist Pazifist (schwer), trägt aber auf den Illus stets eine fette Wumme am Arm und besitzt Kampffertigkeiten. Als schwerer Pazifist wird ein Charakter aber nie kämpfen, das gibt es nur in Notwehr bei Pazifist (leicht). Zudem kommt der Roboter mit einer Heavy Armor daher, bedeutet, er ist eigentlich ein Panzer auf zwei Beinen. Das ist für die Gruppe gefährlich, denn normale Kämpfe sind dem Robotercharakter egal und alle schweren Geschütze, die schwere Panzerung demolieren können, sind für den Rest der Gruppe absolut tödlich.

Trotz der ganzen Unzulänglichkeiten haben wir allerdings losgelegt und was nicht passend war, haben wir halt passend gemacht. Wie zuvor erwähnt war die Sache als One Shot gedacht, aber (manchmal sehr) kurzfristig, kamen dann tatsächlich vier Spielabende in Folge dabei heraus; was meinen Spielrundencounter für 2015 nochmals nach oben geschraubt hat (177 Spielrunden insgesamt, davon 93 per Hangout).

Die Startmannschaft bestand aus Captain V8Kr9 (dem besagten Roboter), Siri (eine Serranerin; diese Rasse wird auch als „Elfen des Weltraums“ bezeichnet), Ben Kohl-Rabi (als Floraner das Gemüse an Bord) und Mi Smäsch (grobschlächtiger Yeti mit wenigen Worten).

Die Spielercharaktere sind in The Last Parsec Angestellte bei JumpCorp, einem galaxienweiten Konzern, der überall seine Finger drin hat. Als Startpunkt nahmen wir die DEADROCK-Station im BLACKBELT-System. DEADROCK erfuhr damit eine weitere Adaption, denn diese Station wurde vor Jahren im Rahmen einer Smalville-Sitzung erdacht und mit Figuren gefüllt. Zwischendurch wurde DEADROCK auch mal mit dem Tall-Tales-System bespielt und nun in The Last Parsec eingebaut.

Die erste Mission („Tödliche Artefakte“) führte die Division (so nennt sich im Setting ein Team) nach Hellas 7. Der Kontakt zur dortigen JumpCorp-Niederlassung war abgebrochen und jemand musste nachsehen, was da los war. Gleichzeitig wurden die Charaktere gebeten eine wichtige Depesche für die dortige Wissenschaftsleiterin mitzunehmen. Rein in die ORIONWURZ-L (das Scoutschiff der Gruppe), Kurs geplottet und ab in den Hyperraum. Es wurde auch ordentlich Gas gegeben, bei einem One Shot ist der Spritverbrauch schließlich egal.

Hellas 7

Auf Hellas 7 angekommen waren fast alle in dortigen kleinen Kolonie lebenden Leute tot. Allein vier Wissenschaftler JumCorps hatten überlebt, deren Aufgabe das Ausgraben von Alienartefakten war. Der Verdacht lag nahe, das diese Artefakte den Verstand der Leute benebelten, da sich diese wohl selbst umbrachten. Aber nein, es kam heraus, dass einer der Wissenschaftler falsches Spiel trieb und sich mit Piraten eingelassen hatte, um die wertvollen Artefakte zu stehlen. Er sprengte nun einen Teil der Anlage in die Luft (V8 und Mi warfen sich heldenhaft auf den Sprengsatz) und versuchte die ORIONWURZ-L zu stehlen, was die KI an Bord (Flora) nicht verhindern konnte. Die Gruppe kam gerade noch rechtzeitig an, ansonsten wären sie auf dem kalten Felsen wahrscheinlich verrottet.

Nach dem One Shot kam es dann zum nächsten Abenteuer. Und so langsam wurde der Spritverbrauch des Raumschiffes doch ein Thema. Allerdings ließ ich ordentlich Credits springen (mehr als laut Buch vorgesehen sind), um das irgendwie zu kompensieren. Jedenfalls gingen V8 und Mi von Bord, stattdessen heuerte Sarashk an (an diesem Abend noch Saurianer, danach vierarmiger Kalianer).

Diesmal (Mission „Verkehrsgarten“) wurden die Charaktere von ihrer Chefin, der auf DEADROCK arbeitenden Direktorin Michelle Plastoid, beauftragt einem konzerneigenen Frachter zu helfen, der sich derzeit in den Highlands befand. Der Antrieb der NOSTROMO war hinüber und das Schiff brauchte dringend ein Ersatzteil. An Bord waren Trinkwasser und Medikamente, trotzdem sollte das benachbarte Sternenreich (das United Kingdom, ganze 37 Systeme groß) nichts von der Mission mitbekommen.

Highlands

Die Highlands sind ein Gebiet voller unberechenbarer Plasmastürme und Gravitationsanomalien. Und ein Versteck für die United Democracy, den Rebellen. Diese möchten die Monarchie des United Kingdom stürzen. Und natürlich hatte der Frachte in Wahrheit Kampfdrogen und Waffen für die Rebellen an Bord. Das Abenteuer bot dann ein Cry Baby, falsche Transponderkennungen, eine Not-OP, eine Not-Reparatur und Zeitdruck. Lustig, spannend und (wegen den miesen Pregens) unfreiwilligem Humor.

Die nächste Mission („Speck! = Beacon“) führte die Gruppe dann wieder zurück ins Hellas-System. JumpCorp hatte auf Hellas 7 zwar alles aufgeräumt, aber die restlichen Bewohner des Systems (immerhin noch 10.000 Lebewesen in einer Kolonie auf Hellas 5) wollten sich dem United Kingdom als 38. System anschließen. Damit würde JumpCorp ein wichtiges System für Ausgrabungen verlieren, denn King George XII. war auf JumpCorp schlecht zu sprechen. Es stand also zu befürchten, dass die NavBeacon (gerne auch Nav Bacon genannt) des Systems dann für Schiffe des Konzerns gesperrt würde. Also lautete der Auftrag ins Hellas-System zu fliegen und dort illegal eine JumpCorp-NavBeacon anzubringen, sozusagen einen Piratensprungpunkt zu installieren.

NavBeacon

Die eigentliche Mission verlief ganz gut und entwickelte sich dann zu einem kleinen McGuffin, denn am Ende befanden sich die Charaktere wieder auf Hellas 7 und lieferten sich mit Piraten und Grabräubern ein heftiges Gefecht unter der Erde. Schlussendlich versuchte Flora, die KI der ORIONWURZ-L, den fliehenden Piratencaptain an der Flucht zu hindern, aber das Schiff der Charaktere donnerte gegen einen Felsen. Das zerstörte zwar Flora, weitere kritische Schäden blieben aber aus. Mit der Beute der Piraten an Bord ging es wieder zurück. Derweil begannen die Spieler die PreGens etwas umzubauen, damit sie besser funktionierten.

Nach einigen Einkäufen (mit genug Geld ist scheinbar alles möglich), gingen Siri, Ben und Sarashk die letzte Mission des Jahres 2015 an („High in den Highlands“). Bisher war gute Arbeit geleistet worden, das Schiff repariert und es wurde Daisy, die neue KI installiert. Michelle Plastoid war sehr zufrieden und der neue Job führte zurück in die Highlands.

Witzig an der Sache: Ich halte die Savage Tales aus dem Lankhmar-Setting für ziemlich schlecht, vor allem die Aufhänger. Ich habe dann mal zwei der Aufhänger in der Spielsitzung ausprobiert. Wie erwartet haben sie nicht geklappt.

Es sollte nur eine lange Kiste auf einer Station abgegeben werden. Natürlich ohne vom United Kingdom bemerkt zu werden. Aber den Umgang mit denen waren die Charaktere ja bereits gewohnt. Und sollte alles gut laufen, winkte sogar der ehrgeizigen Plastoid ein Sonderurlaub auf einem Planeten mit Freizeiteinrichtung.

Roboterfabrik

Also ging es zur besagten Station, die sich als Roboterfabrik entpuppte und weitgehend stillgelegt wirkte. Die Charaktere dockten an, luden die Kiste aus (die sie zuvor vergeblich zu knacken versuchten) und das Teil wurde von einem Gabelstapler-Roboter abtransportiert. Und dann gingen die Lichter aus, im wahrsten Sinne des Wortes. Selbst die ORIONWURZ-L wurde komplett abgeschaltet. Im letzten Augenblick konnten sich die Charaktere in ihre Raumanzüge werfen, dann war auch die Atmosphäre giftig und es gab keine Schwerkraft mehr. Jemand wollte die Division erledigen!

Schlussendlich handelte es sich um eine Verschwörung der KIs, die einflussreiche Persönlichkeiten durch Roboterdoubles ersetzen wollten. Ihre Anführerin war Daisy, die mit Hilfe der DEADROCK-KI Aufträge in ihrem Sinne vergab, um all das zu ermöglichen. Für die Charaktere sah der Endkampf auch ziemlich endgültig aus. Es mussten tatsächlich alle Ressourcen aufgefahren werden, um die Roboterfabrik lebendig verlassen und Michelle Plastoid warnen zu können. Diese sollte nämlich ebenfalls ersetzt werden. Die Charaktere hatten Erfolg, erhielten die höchste Auszeichnung JumpCorps und wiesen die KIs in ihre Grenzen. Und hatten sich damit, neben dem Piratencaptain, einen weiteren Erzfeind gemacht. Aber so spielt das Rollenspielleben.

Diese vier Spielsitzungen waren sehr unterhaltsam und spannend. Ich konnte ein wenig ausspannen, ein paar Sachen freien Lauf lassen und The Last Parsec genauer testen. Das Setting ist einfach schlecht, weil es seine Hausaufgaben schlecht macht. Der Hintergrund ist zu groß, dafür gibt es recht wenig Informationen und diese sind in sich unstimmig. Man braucht viele Bücher, weil alles verteilt ist. Und es existiert keine richtige Balance im Spiel, weil eigentlich alles zugelassen ist. Und mit genug Credits können Charakter unheimlich aufgemotzt werden. Andauernd gab es im Setting irgendwelche Probleme. Unter anderem die Regeln für die vier Arme des Kalianer, die im offiziellen Pinnacleforum nur unzureichend klargestellt wurden. Es gibt übrigens keine Regeln für die Floraner, die auf Illustrationen sogar sechs Arme haben. Der Regeltext geht darauf überhaupt nicht ein.

Im Grunde genommen braucht es The Last Parsec als Setting nicht. Das Grundregelwerk und der Science Fiction Companion sind vollkommen ausreichend. Dazu ein paar eigene Ideen und fertig. Auch die Abenteuerbände des Settings sind keine Abhilfe, sondern schaffen nur mehr Zeug und mehr Regeln, die bezahlt, gelesen und verstanden werden wollen. Aber die Sachen sind teuer, schlecht geschrieben und missverständlich.

Die Spielrunden haben trotzdem Spaß gemacht, was vor allem an den Leuten lag. Mit Humor, gutem Willen und zurechtbiegen hat es schlussendlich gut geklappt. Ein schöner Ausklang für 2015…

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