4E Chronik – Inseln des Lichts (1)
Eigentlich stand für den Donnerstag Abend eine gepflegte Partie „Traveller Fallout“ auf dem Spielplan. Doch etliche Spieler sagten ab und so entschied ich mich, eine kleine Einführung in die 4E zu geben. Zwar war dann doch die „Stammgruppe“ anwesend, aber wo kein Traveller-Regelwerk, da keine Traveller-Spielsitzung.
Also erst einmal Charakterbögen ausgedruckt, gegen die Vorurteile gewappnet und die anwesenden Spieler darauf hingewiesen, man solle die 4E keinesfalls als D&D sehen. Im direkten Vergleich zu vorherigen Editionen hat das nämlich immer zu Problemen und Streit geführt. Prompt gab es Spieler die neugierig waren, andere machten ihre Scherze und gelegentlich war auch ein „Laaangweilig“ zu hören. Das dicke Fell raus, Augen zu und durch. Man hat ja so seine Erfahrungen.
Bei der Charaktererschaffung ging ich erst einmal die Rassen und Klassen durch, dann machte das Spielerhandbuch die Runde. Als Spielleiter stand ich ein wenig auf verlorenem Posten, da ich in dieser Position weitgehend auf das Regelwerk verzichten kann. Als Spielleiter funktioniert das Spiel einfach etwas anders.
Auf jeden Fall kämpften wir uns durch die Charaktererschaffung, es wurden fleißig Notizen gemacht und das neue Fertigkeitensystem kritisiert. Während zwei Spieler noch ihren Charakte fertigstellten, fochten die beiden anderen Spieler einen Kampf zur Probe aus: Halblingsschurke gegen Zwergenpaladin. Der Paladin als Dose auf zwei Beinen hatte zwar eine hohe Rüstungsklasse, aber der Schurke attackiert ja Reflex. Kurz darauf hingewiesen, dass er durch Erstschlag Kampfvorteil genießt, war der Paladin zügig ausgeschaltet. Der Schurke hatte ihn ordentlich an der Nase herumgeführt und den Kampfvorteil genutzt. Aha, hier merkten die Spieler schon, dass man dicke Rüstungen auch umgehen kann.
Schlussendlich waren die Charaktere dann auch mal fertig: Desdemonda die Tiefling-Hexenmeisterin, Blümli der Elfenwaldläufer, Kromm Bach der Halblings-Schurke und Krowax der Verfluchte, ein Zwergen-Paladin. Krowax‘ Spieler musste allerdings nach Hause, das Bett rief. So machten sich also drei tapfere Abenteuer auf, um die Welt zu erobern.
Durch meine vorangegangenen Testspiele und das gespielte Abenteuer „Keep on the Shadowfell“ hatte ich mir bereits etliches an 4E-Rüstzeug angeeignet, um nun in den Sandkasten zu springen und frei zu leiten. Um keine Kampagnenbücher einbinden zu müssen und nur die deutschen Grundregeln zu gebrauchen, wählte ich die generische Welt des Grundregelwerks aus. Die hat keinen eigenen Namen und bietet im Grunde genau das, was man selber möchte und auch braucht. Klasse!
Startpunkt des Spiels und vorläufige Heimatbasis war nun Neuhafen, eine kleine Hafenstadt an der nördlichen Küste des südlichen Kontinents. Da ich zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung hatte was geschehen könnte, ließ ich der Sache ihren Lauf. So fanden sich Blümli und Kromm in der Hafenkneipe „Zum Flugfisch“ ein, um hier ihre gute Freundin Desdemonda zu treffen.
Die Wartezeit auf die Hexenmeisterin vertrieben sich die beiden Männer mit einem großen Krug Fischbier und es stellte sich heraus, dass Kromm Bach keinen Alkohol vertrug. Hier kamen die Hausregeln für Alkoholkonsum zum Tragen. Das Bier war eine eklige Brühe und die Hafenkneipe ein dreckiger Ort. Also machte ich die ganze Stadt zu einer dreckigen Stadt, einem Sammelpunkt für gescheiterte Persönlichkeiten und Glücksritter. So weist Neuhafen keine Kanalisation auf und die Leute erleichtern sich einfach auf der Straße. Es gibt kein sauberes Wasser, Krankheiten suchen die Einwohner heim und ein jeder versucht seinen Schnitt zu machen. Den passenden Grund hatte ich auch schnell zur Hand:
Neuhafen ist eine junge Stadt und wurde erst vor wenigen Jahren von Pionieren gegründet. Damals nannte man die Stadt noch Schönbrunn und war voller Hoffnung, ein gutes und zufriedenes Leben führen zu können. Doch nach kurzer Zeit entdeckten die Pioniere wertvolle Ressourcen im Umland, die mit Schiffen in die Kernlande transportiert wurden. Der plötzliche und unerwartete Reichtum zog windige Geschäftsleute und Glücksritter an. Der Hafen wurde zum wichtigsten Punkt in der Stadt und schon bald geriet der Name Schönbrunn in Vergessenheit.
Kaum hatte ich die Spieler darauf aufmerksam gemacht, dass man in dieser Welt gezielt auf Abenteuer zog und auch Abenteurer brauchte, schon fragte Kromm in die Runde, ob nicht jemand ihre Dienste benötigt. Tatsächlich meldete sich Lorenzo Landek, ein Hafenbeamter und Holzhändler. Seit zwei Wochen hatte er keine Lieferung mehr aus Eschenhain erhalten und machte sich Sorgen um seine Waren. Natürlich nutzte Kromm die Gelegenheit, um diesen Auftrag an Land zu ziehen. Dabei verschwieg der Halbling geflissentlich, dass hier nur ein Trio am Werk war und machte fünf Leute geltend. Schon hatte er den Auftrag in der Tasche (100 EPs für jeden und 250 Goldmünzen).
Da kam auch endlich Desdemonda hinzu und komplettierte das Trio. Zu dritt verließ man die Kneipe. Blümli wollte sich seine Hände waschen, doch das Hafenwasser war dreckig und voller Fäkalien. Also ging er zum Stadtbrunnen und zahlte den Wachen einige Kupferstücke. Zu seinem Ärger pumpte der Brunnen das Wasser jedoch aus der ehemaligen Bucht, also den heutigen Hafen.
Kromm hatte derweil einen Plan gefasst und erkundigte sich in der Stadt, ob weitere Kaufleute Probleme mit Lieferungen hatten. Hier legte ich die Welt nun so an, dass sich im Umland Neuhafens kleine Dörfer befinden, die jeweils einen bestimmten wertvollen Rohstoff abbauen. Und auch die anderen Klientendörfer hatten ihre Lieferungen eingestellt. Für Kromm die Gelegenheit, dass große Geld zu machen. Stellvertretend für die kleine Gruppe nahm er für sieben weitere Kaufleute den Auftrag an, das Problem zu lösen und die Transporte wieder ins Laufen zu bringen (100 EPs für jeden Spieler und 3.000 Goldmünzen).
Also Aufträge hatten sie nun genug, nun ging es um die Details. Kromm hatte erfahren, dass Kobolde und Goblins für den Ärger verantwortlich sein könnten. Die trieben sich angeblich in der Gegend herum und machten Jagd auf Blutmücken. Dadurch seien die Wege derzeit unsicher. Igor, einer der Rausschmeißer aus dem Flugfisch, sollte angeblich mehr wissen. Er und sein Bruder Tibor seien – nebenbei – empfänglich für gut aussehende Frauen. Also musste Desdemonda hier eingreifen, um weitere Informationen zu bekommen.
Kromm und Blümli waren zuvor schon mit den beiden Männern aneinandergeraten, als der Halbling dem Elfen den Geldbeutel versteckte und dieser die Zeche schuldig bleiben musste. Also hielten sich die beiden im Hintergrund und beobachteten die Szene.
Desdemonda kam mit den grobschlächtigen Männern schnell ins Gespräch und ignorierte die begehrlichen Blicke. Schlussendlich kamen sie und Igor überein mittels Armdrücken zu entscheiden, ob er die Informationen ausplaudern würde. Igor war sehr zuversichtlich zu gewinnen, floss doch auch ein wenig Ogerblut in seinen Adern. Desdemonda ging auf das Angebot des Mannes ein, starrte ihn wütend an und schüchterte Igor ein wenig ein. Verdutzt drückte ihn Desdemonda dann auch auf die Theke.
Peinlich berührt packte Igor also aus und erzählte von einem Piatenkapitän, mit dem er ebenfalls gelegentlich Geschäfte mache. Dieser Mann läge derzeit mit seinem Schiff in einer abgelegenen Bucht vor Anker und lüde seinen Segler voll. Dabei tätige der Pirat auch Geschäfte mit Kobolden und Goblins.
Mit diesen neuen Informationen bewaffnet verließt die Tiefling nun den Flugfisch. Kalter Nebel war vom Weltenrand aufgezogen und es wurde langsam dunkel. Also marschierte die Gruppe zum Schiffer. Das Schiffer war ein alter Handelsfahrer, der vor einem Jahr durch eine magische Welle an Land geschleudert wurde. Der Zwerg Platin Schwarzbart kaufte das Wrack damals und baute es zu einem Gasthaus um.
Auf den ersten Blick war der Schiffer ein nobler Laden – im Vergleich zum Rest der Stadt. Hier hatte das Bier keine Gräten und war schön warm. Außerdem gab es frische Muschelsuppe. Die Muscheln wurden dazu kurz vor dem Kochen extra von den Rümpfen der im Hafen liegenden Schiffe abgekratzt. Wer einen Schlafplatz wollte, der konnte sich eine Hängematte für die Nacht mieten oder seine eigene Matte aufhängen. Und ohne Matratze hielt sich das Ungeziefer in Grenzen.
Die drei hoffnungsvollen Abenteurer nahmen also ein verhältnismäßig gutes Bier zu sich und legten sich dann in ihre Hängematten, wo Kromm laut schnarchend seinen Rausch ausschlief. Immerhin mussten sie alle am nächsten Tag früh aus der Matte, als der Hahn krähte. Nun, jedenfalls behauptete jemand der Hahn hätte gekräht …
Das vorläufige Ende der Vorstellungsrunde. Entgegen einiger Erwartungen fuhr kein Blitz vom Himmel, gab es keinen Kampf und erwies sich die kurze Fertigkeitenliste als ausreichend. Die Spieler hatten schlussendlich sogar Spaß und verstanden, dass „Anders“ keinesfalls „Schlechter“ bedeutet.
Ich habe die Gelegenheit auch sofort genutzt und meine Spielleitung – entsprechend der Erfahrungen mit der KotS-Kampagne – angepasst. So liefen im Hintergrund drei Fertigkeitenherausforderungen (Auftrag der Kaufleute erhalten, Informationen in der Stadt sammeln und Armdrücken), flossen in vielen Szenen die passiven Werte der Charaktere ein und ermöglichten eine fließende Erzählung, ohne die Spieler auf all diese Dinge mit der Nase zu stoßen und die Regeln offenzulegen. Während ich als Spielleiter also im Regelgerüst agierte, sahen die Spieler nur die schicke Kulisse – und so soll es ja auch sein.