D20 Firefly Spielbericht 4: Vergessliche Shepherds
Alistair flog mit der Wind Drake dicht über den Boden Richtung Northfork-Ranch, als er plötzlich ein Stottern in der Maschine bemerkte. Auch die Flugkontrollen spielten verrückt. Gai si, er hatte vergessen die Steuerkonsole neu zu kalibrieren. Alistair fluchte laut und verlangsamte das Tempo. Schwarzer Rauch schoss aus den Turbinen. Auch das noch!
Mit einem ungeschickten Manöver setzte er die Wind Drake hart auf, einem Erpel gleich, dem man im Flug beide Flügel stutzt. Ein Ruck ging durch die Maschine und die Crew hatte Mühe, um auf den Füßen zu bleiben.
„Heinlein an alle, von hier aus geht es zu Fuß weiter.“, gab Alistair mittels Bordkommunikation durch und fügte in Gedanken hinzu: Hoffentlich bekomme ich den Vogel wieder in die Luft.
Die Crew verließ das Schiff und besah sich die Schäden von Außen. „Ich bleibe hier und nehme die nötigen Kalibrierungen alleine vor. Die Zugangscodes zum Schiff vertraue ich niemandem an.“, erklärte Alistair.
„Und was ist, falls Sie ums Leben kommen?“ fragte Elaine, die aufreizend gegen eine Strebe der Rampe lehnte.
Heinlein zuckte mit den Schultern und grinste. „Zao gao. Ich mach mich an die Arbeit.“
„Hallo Freunde!“ rief plötzlich eine bekannte weibliche Stimme von etwas oberhalb des Landeplatzes. Es war Tara, die resolute Besitzerin des Saloons. „Was macht ihr denn hier? Schiff kaputt?“
„Nur ein kleiner Schaden, der bald repariert ist.“, versicherte Ken. „Und warum treiben Sie sich hier herum?“
Tara zeigte mit dem rechten Daumen über ihre linke Schulter. „Da hinten ist die alte Miene meines Vaters. Sein Todestag jährt sich und ich wollte sehen, ob alles in Ordnung ist. Ihr befindet euch nahe der Northfork-Ranch von Basra. Falls ihr möchtet, zeige ich euch den Weg. Ich habe mit dem Mistkerl eh noch eine Rechnung offen.“
„Die Wege des Herrn sind unergründlich.“, kommentierte Shepherd Archer die Situation und Tara nickte.
„Stimmt, denn ich habe vor einigen Minuten eine Handvoll herrenloser Gäule eingefangen, die Basras Zeichen tragen. Mit denen sollten wir schnell ans Ziel kommen.“
Die Mannschaft der Wind Drake machte sich nun bereit, um Basras Ranch einen Besuch abzustatten. Die alten Leute ließen sie vorsichtshalber zurück, dafür bot sich Elaine an, Ken und die anderen – wie Tara – ebenfalls zu unterstützen. Zur Überraschung aller verfügte die Companion tatsächlich über eine Kampfausrüstung.
Kurz darauf ritten die fünf tapferen Menschen Richtung Ranch, die Haare im Wind, den Sonnenuntergang im Rücken und den staubigen Boden unter den Hufen ihrer Pferde. „Wie lautet eigentlich der Plan?“ rief Tara und alle zügelten ihre Tiere.
Nach einem kleinen Gespräch und dem Austausch von Informationen, beschloss die Mannschaft, sich erst einmal der Ranch zu nähern und auf die Lauer zu legen. Im Schutz der Dunkelheit kamen sie an und Tara führte ihre neuen Freunde über Schleichwege auf einen sanften Hügel, von dem aus man einen guten Blick hatte.
Basras Ranch bestand aus einem großen Hauptgebäude und mehreren Wirtschaftsgebäuden. Hohe Zäune umgaben die Northfork-Ranch und in regelmäßigen Abständen gab es Wachtürme.
„Basra züchtet Rinder, schlachtet sie und streckt das Fleisch mit Proteinlösung, um es auf den Märkten der Grenzwelten als Echtfleisch zu verkaufen. Die Feds kümmert nicht, was die Kolonisten hier draußen essen, solange Basra keinem Kernweltler das Zeug zu verkaufen versucht.“, erklärte Tara. „Einige meiner Mädchen besuchen manchmal die Cowboys hier draußen und verdienen sich ein paar Dollar extra.“
„Ich habe eine Idee.“, stieß Sherpherd Archer hervor und grinste. „Ich weiß, wie ich mir Zugang verschaffe.“ Der Shepherd schlich zu den Pferden zurück, stieg auf und ritt Richtung Ranch.
„Was macht der denn?“ fragte Ken und die anderen guckten nur ratlos in die Runde.
„Hat er denn vergessen, dass die den letzten Shepherd erschossen haben?“ fügte Demolition Stoned dem Fragekatalog zu.
***
Shepherd Archer hielt unbeirrt auf das Tor zu und stoppte erst, als zwei der Wachen ihre Gewehre auf ihn richteten. „Stop!“
„Gott zum Gruße, meine Kinder. Ich habe diese Pferd gefunden und nehme an es gehört euch. Deswegen will ich es abliefern und …“
„Gut. Absteigen und verschwinden!“
„Wollt ihr mich nicht hinein…“ Ein Warnschuss unterbrach Archer. Durch den Knall stieg das Pferd vorne hoch und warf den Shepherd ab. Der landete mit einem lauten Schmerzschrei auf einem spitzen Stein. Unbeirrt rappelte er sich auf und versuchte es erneut: „Möchtet ihr vielleicht eine Ausgabe meines Wachturms lesen und …“
„Hau – endlich – ab!“
Shepherd Archer sah die Sinnlosigkeit seiner Tat ein und wandte der Ranch den Rücken zu. Mit dem letzten Sonnenstrahl erklomm er den Hügel. Ken und Elaine nahmen ihre Infrarotferngläser und beobachteten das Treiben auf der Ranch.
„Diese Männer sind Gottes Wort gegenüber sehr unempfindlich.“, sagte Archer und ließ sich müde zu Boden sacken. „Sehr unempfindlich.“
„Dann machen wir das anders.“, erklärte Demolition, nahm seine Winchester II aus dem Waffenkoffer und kletterte vorsichtig ein Stück nach unten. In vierzig Meter Entfernung stoppte er und beobachtete die Ranch.
Es wurden Lichter und Scheinwerfer angezündet, irgendwo sang einer der Cowboys ein leises, trauriges Lied.
„Ruhe da unten!“ schrie Demolition genervt. Seine Stimme wurde weit durch die Nacht getragen und hatte unerwünschten Erfolg. Eine der Wachen entdeckte Demolition im Hügel, alarmierte Basras Wachmannschaft und bald rückten zwei Kettenfahrzeuge mit Fahrzeuggeschützen und vier Mann starker Besatzung aus.
Mit den weitreichenden Waffen bezogen sie am Fuß des Hügels Stellung. Ihr Anführer griff zu einem Mikrofon: „Kommen sie mit erhobenen Händen raus oder wir eröffnen das Feuer!“ wurde über Lautsprecher gefordert.
Demolition ließ seine Winchster II liegen, zündete sich einen Joint an und kletterte runter.
„Shiny!“ rief er aus. „Mein Name ist Demolition Stoned. Ich verkaufe Drogen.“
Wenige Minuten später war er entwaffnet und seine Hände auf den Rücken gefesselt. Den Joint hatte man ihm gelassen und Demolition versuchte verzweifelt zu sprechen, ohne seinen Joint aus dem Mund fallen zu lassen.
„Was soll denn das? In der Stadt hat man mir gesagt hier draußen gäbe es ein paar Männer, die Interesse an guten Joints haben.“
Die Cowboys sahen sich an, einige von ihnen grinsten. „Mag sein.“, gab der Anführer nickend zu. „Sicherlich, ist aber vom Boss nicht gerne gesehen. Was würden die denn kosten?“
Demolition überschlug kurz was er bei sich trug und nannte einen durchschnittlichen Preis. Die Cowboys unterhielten sich kurz abseits, dann füllten sie an einem der Fahrzeuge eine Plastiktüte mit Geld.
„Klingt fair. Aber bevor wir deine Fesseln lösen, musst du einige Fragen beantworten. Wir wollen ja nicht, dass du uns an den Boss verpfeifst.“
„Würde ich nie machen, ich bin ja nicht so wie die Leute, die eure Freunde erschossen haben.“
Die Cowboys waren ziemlich verblüfft und Demolition verfluchte sein loses Mundwerk. Doch glücklicherweise gelang es ihm, die Leute von seiner Unschuld zu überzeugen – glaubte er bis dahin noch. Bei der hitzigen Diskussion verlor er seinen Joint aus dem Mundwinkel.
Basras Männer ließen Demolition gefesselt und drückten ihm die Trageschlaufen der schweren Geldtasche in den Mund. „Komm in vier Wochen wieder.“
Demolition nickte knapp und machte sich auf den Weg zurück. Dabei achtete der Waffenhippie darauf, einen kleinen Umweg zu gehen. Er wollte ja niemanden zu seinen Freunden führen. Nach einiger Zeit erreichte Demolition die Stelle, an dem ihn die Cowboys entdeckt hatten. Er ließ die Tasche fallen und versuchte die gefesselten Hände nach vorne zu bringen – vergeblich.
Ken hatte Mitleid mit seinem neuen Freund und kletterte vorsichtig nach unten, um ihm zu helfen. In der Zwischenzeit beobachtete Elaine die Farm. Basras Leute schienen merkwürdig heiter und einige von ihnen sahen öfter auf die Uhr. Merkwürdig, dachte Elaine und kratzte sich gedankenverloren am Kinn.
„Ta ma de!“ fluchte Ken und löste Demolitions Fesseln mit seinem Messer. „Du machst nur Mist.“
„Alles Shiny, Ken. Nichts passiert. Ich brauche jetzt erst mal ’nen Joint.“ Sagte Demolition und kramte in seinem Koffer nach einem der begehrten Glimmstängel.
Ken ließ sich auf die Knie nieder und zog sein Fernglas heraus. Das Verhalten der Leute machte ihn stutzig. Der Gambler nahm mittels Kommlink Verbindung zu Elaine auf – die Einzige, die ebenfalls ein solches Gerät besaß. „Was machen die denn? Hast du eine Idee?“
„Nein. Jetzt scheinen sie sich bereit zum Ausrücken zu machen. Und sie gucken immer öfter auf die Uhr.“ Elaine blickte nun selber auf ihren Zeitmesser. Sei Demolitions Rückkehr waren beinahe dreißig Minuten vergangen. Es fehlten nur noch ein paar Sekunden …
„Lauf!“ schrie Elaine ins Kommlink und duckte sich. Dabei drückte sie Archer und Tara, die sie flankierten, ebenfalls nach unten.
„Gai si, weg hier!“ schrie Ken und nahm die Beine in die Hand. „Das ist eine Falle!“
„Eine Falle?“ Demolition zog an seinem Joint und wirkte ratlos. „Wie soll das denn eine Falle sein?“ Er griff nach seiner Geldtasche und zog sie auf. Demolitions Blick fiel auf eine Dynamitstange, an die jemand einen Zeitmesser angebracht hatte: 4 – 3 – 2 …
„Das schöne Geld!“ stieß Demolition aus, ließ die Tasche fallen und lief ebenfalls los. Doch zu spät. Die Detonation riss ihn von den Beinen und warf ihn durch die Luft nach vorne. Ken knickte durch die Druckwelle ein und war überrascht, als ihn Demolition fliegend überholte. Bendan, dachte Ken nur, dann regnete Dreck um ihn herum nach unten. Ohne lange nachzudenken öffnete er seine kleine Arzttasche und leistete erste Hilfe. Ken konnte den Waffennarr zwar stabilisieren, aber an eine Flucht war nicht zu denken. Vor allem, da Basras Leute nun die Ranch verließen.
Während die Kettenfahrzeuge auf den Landeplatz der Wind Drake zuhielten, machten sich zwei Dutzend Reiter den Hügel hinauf. Unmöglich, es mit ihnen allen aufzunehmen.
Shepherd Archer, Tara Harper und Elaine Harrison schlossen zu Ken auf. „Was jetzt?“ fragte Archer und sah sich um, in seiner Hand ein Colt mit überlangem Lauf.
„Ich versteck mich irgendwo mit Demoliton.“, erklärte Ken hastig. „Ihr seht zu, dass ihr Patrick O’Tool findet. Damit werden die nicht rechnen. Die glauben wir sind tot oder fliehen.“
Tara nickte. „Eines meiner Mädchen hat mir von einem Schlupfloch im Zaun erzählt. Dort könnten wir rein.“
„Shi ah!“
Tara führte Elaine und Archer hinter sich her, während Ken seinen Patienten in ein nahes Loch warf und zu ihm hinabkletterte. Er hoffte die Deckung würde reichen, notfalls würde er den Cowboys blaue Bohnen zum Kosten geben.
Es existierte tatsächlich ein Schlupfloch im Zaun, doch die beiden Frauen wurden von einem Cowboy entdeckt. Er hatte nur Augen für Elaine und übersah dadurch Archer, der sich in einen Rücken schlich.
„Tara, bringst du jetzt selbst eine deiner Ladys vorbei?“ Die Waffen in Elaines Holstern ignorierte der Mann, seine Blicke galten ganz allein den Reizen der unbekannten Schönheit.
„Ja, die Zeiten sind gefährlich. Das hast du ja selbst mitbekommen.“
„Stimmt. Wie teuer ist die Kleine …“ Archers Schlag schickte den Mann ins Reich der Träume, dann brach ihm Tara das Genick und Archer sprach einen Segen. „Wir dürfen keine Zeugen zurücklassen, der sie erkennt, Tara.“, fügte er anschließen hinzu.
Die Saloonbesitzerin nickte. Basras Männer waren ihr egal, es waren Schweine auf zwei Beinen, die Spaß daran hatten ihren Saloon zusammenzuschlagen, ihre Mädchen zu quälen und ihr Land zu stehlen.
Archer übernahm nun die Führung. Der Geisteliche hatte ein kleines Gebäude mit vergitterten Fenstern bemerkt: Basras rancheigenes Gefängnis. Tatsächlich saß Patrick O’Tool hier ein. Von außen war die Zelle leicht und schnell zu öffnen. Danach schlichen sie mit O’Tool wieder durch das Schlupfloch nach draußen. In einiger Entfernung sahen sie ein helles Licht aufsteigen, die Wind Drake hatte die Flucht angetreten. Das bedeutete einen langen Fußmarsch, denn ihre Pferde waren sicherlich von Basras Männern entdeckt worden.
Während sich Basras Leute unverrichteter Dinge zurückzogen, fertigten Ken und der Shepherd eine Trage an, um Demolition darauf zu transportieren. Dann ging es Richtung Stadt, die sie zum Sonnenaufgang erreichten. Alle waren müde und ausgelaugt. Einige waren seit mehr als vierundzwanzig Stunden auf den Beinen.
In Taras Saloon gab es erst einmal heißen Sake und alle warteten gespannt auf das Eintreffen von Alistair und den Colts. Der Captain hatte die Wind Drake in einer kleinen Schlucht gelandet und war mit seinen Passagieren über Schleichwege in die Stadt zurückgekommen. Das Treffen der alten Kameraden verlief allerdings anders als geplant, denn Patrick O’Tool dachte gar nicht daran, seine Waffe aus den Händen zu geben. Im Gegenteil, die beiden Männer begannen einen heftigen Streit, der gegenseitige Schuldzuweisungen enthielt.
„Bi Zuei!“ ging Ken dazwischen. „Das bringt doch alles nichts. Falls ich es richtig verstanden habe, befindet sich die Waffe eh im Besitz von Basra. Und Mister O’Tool gibt die Waffe gerne an diesen Mistkerl ab, wenn er dadurch sein Land behalten kann. Was allerdings zweifelhaft ist, da Basra keine Skrupel kennt.“
„Ich habe lieber eine Chance auf ein Stückchen eigenes Land, als gar nichts.“, maulte O’Tool. „Was für eine Möglichkeit habe ich denn sonst? Ich könnte mir natürlich einen Teil des Schatzes auszahlen lassen und woanders ein neues Stück Land kaufen. Aber an den Waffen klebt unschuldiges Blut, ich könnte nicht mehr ruhig schlafen.“
„Wir müssen uns eh mit Basra auseinandersetzen. Immerhin hat er die Pistole mit dem Codefragment.“
O’Tool grinste breit. „Mag sein, aber ich habe einen zweiten Schlüssel angefertigt. Immerhin konnte man Dick nie so richtig trauen. Er war ein Weiberheld und ein Spieler. Wegen ihm haben wir so viel riskiert und alles verloren. Genau deswegen habe ich ihn bei den Feds ans Messer geliefert, um meinen Hals aus der Schlinge zu ziehen.“ Erneut gingen sich beide Männer verbal an die Gurgel.
Ken überschlug derweil die Möglichkeiten, kam aber auf wenige Optionen. Entweder jeder verzichtete auf einen Teil des Schatzes und sie finanzierten O’Tool auf einem anderen Planeten einen Landstrich Staub oder sie legten sich mit Basra an. Dadurch würden sie O’Tool und der Stadt einen Gefallen erweisen und auch in den Besitz der zweiten Waffe kommen. Somit wären sie auch auf O’Tools Hilfsbereitschaft nicht mehr angewiesen. Eine vertrackte Situation und alle Pläne versprachen Komplikationen …