Abenteuer 1939 (02) – Die Augen von Kilquato
Von Manaus aus ging es noch einige Kilometer den Fluss hinauf, dann legte die Amazonia an einem kleinen Fischerdorf an. Von hier stammte der Bericht der Missionare, also musste sich das Auge des Kilquato in der Nähe befinden.
Kaum hatte die Expedition einen Schritt ans Ufer getan, da waren sie auch allesamt von Eingeborenen umringt, die freundlich und hilfsbereit waren – und Geschenke verlangten. Glücklicherweise gab es genug Glasperlen, Schokolade und Kämme an Bord, um beinahe alle zufriedenzustellen. Der Stammesälteste und seine Männer wollten natürlich Waffen, doch Melody Monroe und Major McCan sahen keinen Grund, gegen geltende Gesetze zu verstoßen.
Bei Catherine-Lucy Dixon sah die Sache etwas anders aus. Als der Stammesälteste durchblicken ließ, dass er über einige Informationen zum gesuchten Ort verfügte, übergab ihm die junge Studentin eine ihrer Damenpistolen. Der gewiefte alte Häuptling leierte ihr auch noch ein paar Patronen aus dem Ausschnitt, dann rückte er mit der Sprache raus.
Den Indios waren einige Ruinen im Landesinneren bekannt, über die schreckliche Gerüchte im Umlauf waren. Angeblich kehrte niemand mehr zurück, der sich dorthin wagte. Und manchmal, tief in der Nacht, waren Lichter aus der Richtung zu sehen. Manche Indios behaupteten sogar, dort würden grausame Krieger Krokodile anbeten. Das klang genau nach dem Punkt auf der Karte, den die Expedition suchte. Schnell waren die Sachen gepackt und es ging zu Fuß weiter.
Der Marsch durch den Urwald war beschwerlich und gefährlich. Insekten, Skorpione, Spinnen und Panther waren die Herren des Gebiets und zu allem Übel plauderte Catherine-Lucy munter drauf los – wenigstens schien sie damit die Moskitos auf Abstand zu halten. Außerdem zeigte sie freudig ihre beiden Talismane herum, die sie bei dem Stammesältesten gegen weitere Patronen eingetauscht hatte.
Nach einigen Stunden erreichten die drei einen kleinen Fluss, den es zu überqueren galt. Knochen am Ufer deuteten auf Raubtiere hin und im Fluss selbst schienen einige Raubfische zu hausen. Also suchte der Major nach einem stabilen Baum und schob schlussendlich, mit Hilfe der beiden Ladys, das morsche Ding übers Wasser. Viel schien es ja nicht auszuhalten – also wurde Catherine-Lucy zuerst hinübergeschickt. Immerhin war sie die Leichteste. Zur Sicherheit band ihr Major McCann ein Seil um.
Gekonnt balancierte die junge Frau über den Baumstamm, der durch die unerwartete Bewegung einige Piranhas anlockte. Die knabberten testweise ein wenig am Stamm, ließen dann aber wieder ab. Catherine-Lucy befestigte nun das mitgenommene Seil an einem Baum und Melody Monroe folgte. Auch hier probierten die Raubfische ein Stück des Stamms, der nun auch ziemlich tief im Wasser lag. Ronny McCan ahnte Schlimmes und entschloss sich, lieber sofort am Seil entlang zu hangeln. Kaum auf der anderen Seite angekommen, ging es weiter.
Nur wenige Kilometer weiter erreichte die Expedition einen kleinen, sumpfigen Teich. Einige Krokodile hielten sich hier auf und sahen träge zu den Neuankömmlingen hinüber. In dem Augenblick bemerkte Melody frische Stiefelabdrücke im Schlamm – hier war noch jemand anderes!
Sie rief McCan eine Warnung zu, dann gaben sich die Nazis auch schon zu erkennen und feuerten aus den umliegenden Büschen. Catherine-Lucy warf sich fluchend in den Schlamm und feuerte mit ihrer Damenpistole, Melody schaltete ihren Flammenwerfer heiß und Ronny rannte mit der Machete auf die Büsche zu. Die Deutschen waren ziemlich überrascht vom dem Gegenangriff und innerhalb kurzer Zeit außer Gefecht. Einzig der SS-Offizier war ein standhafter Gegner, der keinesfalls aufgeben wollte. Schlussendlich traf ihn ein Schlag am Kopf und er war ebenfalls hinüber.
Melody beschloss mit ihrem Flammenwerfer durch die Gegend zu streifen, um der Expedition den Rücken freizuhalten. Die beiden anderen sollten schon mal vorgehen. Catherine-Lucy und Ronny McCan waren einverstanden. Zuvor warf der Major die Toten zu den Krokodilen, um die Spuren zu verwischen. Dabei übersah er leider, dass einige der Nazis noch lebten und nun von den Krokodilen zerrissen wurden. Glücklicherweise war Catherine-Lucy schon einige Meter weiter und sah das Elend nicht. McCan selbst wurde blass vor Schreck. Mit Bedauern ging es nun weiter …
Zwei Kilometer weiter öffnete sich der Dschungel ein wenig und ging in dicht bewaldetes Hügelland über. Der Fluss, den die Expedition vor einiger Zeit überquerte, hatte hier im Gebiet seinen Ursprung. Ronny machte Catherine-Lucy ein Zeichen in Deckung zu gehen und deutete mit der Hand nach vorne. Dort befand sich eine breite und stabile Holzbrücke, die auf mehreren Steinpfeilern ruhte. In ihrem Zentrum stand eine mehr als drei Mann hohe steinerne Statue, die ein gigantisches und bösartiges Krokodil darstellte, das nur noch ein Auge besaß – dargestellt durch einen große gelben Edelstein: Das Auge von Kilquato!
Vor der Statue klaffte ein Loch im Boden, von dem aus Rampen in den Fluss hineinführten. Um diese Rampen herum bewegten sich einige hungrige Krokodile, die scheinbar auf etwas lauerten. Das war wohl der Indio, der gefesselt und schreiend vor der Statue lag. Über ihn beugte sich ein hagerer Eingeborener, der einen halben Krokodilschädel als Kopfschmuck trug und mit einem Opferdolch Zeichen in die Luft vor sich ritzte. Eine Hand voll Kultisten hockten hinter ihm und gaben einen monotonen Singsang von sich.
Ronny und Catherine-Lucy schluckten schwer. Dem Mann musste geholfen werden. Schnell hatte der Major einen Plan entworfen. Er entfernte sich ein Stück von Catherine-Lucy und trat dann aus dem Unterholz, um die Kultisten mit einigen Beleidigungen zu reizen. Das klappte auch hervorragend und Major McCan nahm die Beine in die Hand. Allerdings hatte er keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Seine Erfahrungen aus Indien konnte er jedoch einsetzen, um im Dschungel außer Sicht seiner Verfolger zu bleiben und dann einen Baum hinaufzuklettern.
Catherine-Lucy sah dem flüchtenden Major nach und blickte dann zur Brücke. Verdammt! Der Schamane stand noch immer dort und wartete nun auf die Rückkehr seiner Anhänger. Die Archäologiestudentin atmete tief durch, dann schlich sie mit bebendem Busen seitlich zur Brücke und hangelte sich – über die Köpfe der Krokodile – auf die andere Seite. Leise und geduckt eilte sie zu dem gefesselten Mann und machte ihm Zeichen ruhig zu bleiben. Glücklicherweise sprach der Gefangene Spanisch und Catherine-Lucy erklärte ihm ihren Plan, während sie die Fesseln Durchschnitt.
Wie abgesprochen zählte sie bis drei, gab das Angriffszeichen und – der Befreite rannte mit Catherine-Lucys Machete in die andere Richtung davon. Der Schamane drehte sich langsam um und war wenig erfreut. Er grinste bösartig und entblößte dabei seine angespitzten Zähne. Catherine-Lucy schluckte schwer und eröffnete dann das Feuer.
Major Ronny McCan saß derweil in seinem Baum fest. Die Kulstisten standen genau unter ihm und sahen aufmerksam in den Dschungel hinein. Vorsichtig holte der Agent des MI6 Dynamit aus seiner Tasche und steckte die Lunte in Brand. in dem Augenblick in dem er den Sprengstoff fallen ließ wusste McCan, dass er ein Problem hatte. Die Explosion setzte die Indios zwar außer Gefecht, aber auch der Baum kippte nun und stürzte zur Erde. Ronny tat es nun den Affen gleich und sprang zu einem anderen Baum hinüber. Mit knapper Not konnte er einen Ast ergreifen und sich festhalten.
In der Zwischenzeit musste Catherine-Lucy erkennen, dass ihre Kugeln nur wenig Wirkung zeigten. Aber auch der Schamane hatte Probleme und wurde wütend. Er schleuderte aus seinen Fingerspitzen Krokodilzähne, doch die spitzen Geschosse wurden teilweise von einem der Talismane abgewehrt, die um den Hals der Studentin hingen. Die junge Frau zielte nun etwas genauer und pustete den Schamanen schlussendlich doch um – kurz bevor Ronny mit blauen Flecken und blutigen Striemen aus dem Dschungel kam.
Die beiden sahen nun zu der Statue hinauf. Dort war es, das Auge des Kilquato. Catherine-Lucy ließ sich von Ronny mit Hilfe eines Seils nach oben ziehen und löste das Auge aus seiner Fassung. Endlich hatte sie ein Artefakt in ihren Besitz gebracht, ihr erstes Artefakt. Catherine-Lucy war stolz auf sich. Zu ihrer Begeisterung stellte sie fest, dass sie die Krokodile in der Nähe unter ihrer Kontrolle hatte. Also ließ das New Yorker Society-Girl die Reptilien neben Major McCan Aufstellung nehmen. Als sie eine Hand von dem Juwel löste, versuchten die Krokodile allerdings nach dem Briten zu schnappen. Rechtzeitig übernahm Catherine-Lucy wieder die Kontrolle und schickte die Reptilien den Fluss hinab, wo sie artgerecht weiterleben sollten.
Mit dem gelben Edelsten im Gepäck, machten sich die beiden Abenteurer nun auf der anderen Seite der Brücke auf, um die nahen Ruinen zu untersuchen. Dabei entdeckten sie einen schmalen Pfad, der zu einem Höhleneingang führte. Neugierig begannen sie die Höhle zu untersuchen.
Bereits der Eingang schien eine Falle zu sein. Der ganze Boden bestand aus Trittplatten, in die Tierzähne eingelassen waren. Catherine-Lucys Talismane erwiesen sich erneut als hilfreich, denn so erkannten die die Krokodilzähne, denen es zu folgen galt.
Die Höhle war offensichtlich das Versteck des kleinen Kultes, den Catherine-Lucy Dixon und Major Ronny McCan zerschlagen hatten. Doch neben kargen Wohnhöhlen, gab es auch eine Höhle mit Wandmalereien, auf deren Boden spanische Dublonen verstreut lagen und in dessen Zentrum sich ein Teich befand. Am Grunde dieses Teichs war manchmal eine rote Reflektion zu sehen. Für die Abenteurer stand fest: Es musste noch ein zweites Auge geben!
Da der rote Schein manchmal näher kam und dann wieder absank, vermutete Catherine-Lucy, dass ein Krokodil das Auge trug. Als nutzte sie den gelben Edelstein, um das Reptil zu rufen. Ihre Vermutung stimmte beinahe, allerdings trug Kilquato selbst den roten Stein als Auge und wurde nun aus seinem Schlaf geweckt. Wütend stieg er aus den Tiefen auf, um die Ungläubigen zu verschlingen.
Der Major und die Studentin waren ziemlich froh, dass der Gang zur Teichhöhle so schmal war. Sie lockten das gigantische Krokodil hinein und sprangen auf dessen Rücken, um mit vereinten Kräften das eine Auge ebenfalls zu entfernen. Kultistenspeer und Schrotflinte leisteten dabei gute Arbeit. Während sich Catherine-Lucy den roten Edelstein schnappte, wurde McCan gegen die Wand geschleudert und beinahe erdrückt. Im letzten Augenblick hechtete er zu seiner jungen und nervigen Begleiterin. Gemeinsam erhoben sie die Edelsteine und forderten den Krokodilgott zu einem Duell des Willens heraus. Sekunden glichen einer Ewigkeit, dann unterwarf sich Kilquato seiner eigenen Macht. Schläfrig zog er sich in den Teich zurück, sank zu Boden und fiel dort in einen ewigen Schlaf …
Für Catherine-Lucy war nun die Zeit gekommen, ihre Kamera auszupacken und einige Rollen Film abzudrehen. Der Major war im ersten Augenblick angesäuert, doch als er die Kamera surren hört, da zeigte McCan auch schon die erbeuteten Souvenirs und präsentiere stolz die Edelsteine. Catherine-Lucy war sicher, damit auf der nächsten Party Eindruck schinden zu können.
Nach dem Dreh führte der Weg zur Amazonia, wo Melody Mondroe schon wartete. Mit dem Boot ging es über den Amazonas nach Belem. Die Piraten hatten ihre Lektion wohl gelernt und blieben den Abenteurern fern. José war traurig seine neuen Freunde verabschieden zu müssen und wünschte ihnen noch viel Glück. Nach einem innigen Abschied machten sich die Abenteurer auf zum Flugfeld. Dort wartete Pedro bereits mit seine Maschine, bereit die kleine Expedition wieder sicher in die Vereinigte Staaten zu bringen …